Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der rote Prophet

Der rote Prophet

Titel: Der rote Prophet Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Orson Scott Card
Vom Netzwerk:
ihn nicht. Er ließ seine Gedanken abschweifen, erinnerte sich an diese Schauspielerin Soundso, die diese eine Rolle so wunderbar gespielt hatte, was war es doch noch gleich gewesen, oder war es doch eine Ballerina? Jedenfalls erinnerte er sich an ihre Beine, welch anmutige Beine! Doch sie hatte sich geweigert, mit ihm nach Kanada zu kommen, trotz seiner Liebesbeteuerungen und seines Versprechens, daß er ihr hier ein Haus bauen und einrichten würde, das noch viel schöner war als jenes, das er für seine Frau erbaut hatte. Wenn sie doch nur mitgekommen wäre. Natürlich hätte sie auch am Fieber sterben können wie seine Frau. So war es vielleicht doch das beste. Ob sie immer noch in Paris auf der Bühne stand? Bonaparte wurde das natürlich nicht wissen, aber vielleicht hatte einer seiner jüngeren Offiziere sie gesehen. Er würde Erkundigungen einziehen müssen.
    Natürlich speisten sie am Tisch der Gouverneurin Rainbow, da es der einzige Tisch an Bord der Kanalbarkasse war. Die Gouverneurin hatte ihr Bedauern darüber ausrichten lassen, daß sie die erlauchten französischen Gäste leider nicht würde persönlich aufsuchen können, hoffte aber, daß ihr Dienstbotenstab es ihnen bequem machen würde. Frederic, der davon ausgegangen war, daß dies wohl einen Irrakwa-Chefkoch bedeuten mußte, hatte sich schon auf ein weiteres, langweiliges Rotenmahl aus zähem Hirschfleisch eingestellt – so etwas konnte man ja wohl kaum Wildbret nennen! –, doch der Küchenchef hatte sich ausgerechnet als Franzose entpuppt! Ein Hugenotte, oder, genauer, der Enkel von Hugenotten, doch er war nicht nachtragend, und so erwies sich das Essen als ausgezeichnet. Niemand hätte an diesem Ort von gutem französischen Essen zu träumen gewagt – ja nicht einmal von Essen im würzigen amerikanischen Stil.
    Beim Essen dann versuchte Frederic sich stärker an dem Gespräch zu beteiligen, nachdem er zuerst auch den letzten Bissen vertilgt hatte. Er tat sein Bestes, um Bonaparte die schier unmögliche militärische Situation im Südwesten zu schildern. Er zählte die Probleme nacheinander auf – die undisziplinierten Roten, die ihre Verbündeten waren, und der nicht abebbende Strom von Einwanderern. »Am schlimmsten allerdings sind unsere eigenen Soldaten. Das ist ein unbeirrbar abergläubischer Haufen, wie es die unteren Klassen ja immer sind. In allem und jedem sehen sie ein Omen. Da braucht ein holländischer oder deutscher Siedler einfach nur einen Zauber an seine Tür zu hängen, und schon muß man unsere Soldaten praktisch dazu prügeln, hineinzugehen.«
    Bonaparte nippte an seinem Kaffee (barbarisches Getränk! Doch er schien es ebenso zu genießen wie die Irrakwa), dann lehnte er sich in seinem Stuhl zurück, um Frederic mit seinem steten, bohrenden Blick zu mustern. »Soll das heißen, daß Ihr gemeine Fußsoldaten bei Hausdurchsuchungen begleitet?«
    Bonapartes herablassendes Gehabe war empörend, doch bevor Frederic die vernichtende Antwort loswurde, die ihm auf der Zunge lag, lachte La Fayette laut los. »Napoleon«, fragte er, »mein teurer Freund, so steht es also um unseren angeblichen Feind in diesem Krieg! Wenn die größte Stadt in einem Umkreis von fünfzig Meilen aus vier Häusern und einer Schmiede besteht, führt man keine Hausdurchsuchungen mehr durch. Dann ist jedes Haus vielmehr eine Festung des Feindes.«
    Napoleons Stirn legte sich in Falten. »Dann konzentrieren sie ihre Kräfte nicht zu Armeen?«
    »Sie haben noch nie eine Armee ins Feld geschickt, nicht seit General Wayne vor Jahren den Häuptling Pontiac niedergeworfen hat, und selbst das war eine englische Armee. Die Vereinigten Staaten besitzen zwar einige Forts, aber die liegen alle am Hio.«
    »Warum stehen diese Forts dann noch?«
    La Fayette gluckste wieder. »Habt Ihr denn nicht die Berichte darüber gelesen, wie es dem englischen König in seinem Krieg gegen die Rebellen von Appalachee ergangen ist?«
    »Ich war anderweitig beschäftigt«, bemerkte Bonaparte.
    »Ihr braucht uns nicht daran zu erinnern, daß Ihr in Spanien gekämpft habt«, sagte Frederic. »Wir wären auch alle nur zu gern dort gewesen.«
    »Wärt Ihr das?« murmelte Bonaparte.
    »Laßt mich zusammenfassen«, sagte La Fayette, »was mit der Armee von Lord Cornwallis geschah, als er sie von Virginia in die Hauptstadt von Appalachee, Franklin, führen wollte, oben am oberen Tennizy.«
    »Nein, laßt mich es tun«, warf Frederic ein. »Eure Zusammenfassungen sind für gewöhnlich länger

Weitere Kostenlose Bücher