Der rote Prophet
groß.«
»Südfrankreich!« erwiderte Frederic abfällig. »Mein lieber Gilbert, er stammt aus Korsika.«
»Er hat die spanische Armee binnen drei Wochen geschlagen, während sein vorgesetzter Offizier wegen Dysenterie indisponiert war«, erinnerte ihn La Fayette.
»Ein Akt der Subordination, für den man ihn hätte kassieren müssen«, meinte Frederic.
»Oh, da bin ich ganz Eurer Meinung«, sagte La Fayette, »nur hat er tatsächlich den Krieg gewonnen, müßt Ihr wissen, und solange König Charles die Krone Spaniens seiner Sammlung von Kopfbekleidungen hinzufügen konnte, hielt er es wohl für unpassend, ausgerechnet jenen Soldaten vor ein Kriegsgericht zu stellen, der sie für ihn gewonnen hatte.«
»Zunächst einmal kommt die Disziplin. Jeder Mann muß seinen Platz kennen und dort bleiben, sonst gibt es ein Chaos.«
»Zweifellos. Nun, man hat ihn ja tatsächlich bestraft. Sie haben ihn zum General gemacht, ihn aber auch hierher geschickt. Sie wollten ihn nicht beim Italienfeldzug dabeihaben. Seine Majestät hätte zwar nichts dagegen, Doge von Venedig zu werden, aber dieser General Bonaparte könnte sich vergessen, er könnte noch das Kardinalskollegium festsetzen und König Charles zum Papst ausrufen lassen.«
»Euer Sinn für Humor grenzt schon ans Verbrecherische.«
»Frederic, schaut Euch den Mann doch nur an.«
»Ich schaue ihn mir doch gerade an.«
»Dann schaut ihn eben nicht an. Schaut Euch alle anderen an. Schaut Euch seine Offiziere an. Habt Ihr schon jemals Soldaten gesehen, die so viel Liebe für ihren Kommandanten zeigten?«
Zögernd wandte Frederic den Blick von dem korsischen General ab und musterte die Subalternen, die gelassen hinter ihm schritten. Nicht wie Höflinge – niemand schien sich an bestimmte Positionen drängen zu wollen. Es war wie ... Frederic fand nicht die passenden Worte dafür ...
»Es ist, als wüßte jeder Mann, daß Bonaparte ihn liebt und schätzt.«
»Ein lächerliches System, sofern das sein System sein sollte«, meinte Frederic. »Man kann seine Subalternen nicht im Zaum halten, wenn sie nicht ständig darum bangen müssen, ihre Stellung zu verlieren.«
»Gehen wir ihm entgegen, um ihn zu begrüßen.«
»Absurd! Er hat zu uns zu kommen!«
Doch wie üblich ließ La Fayette kein Zögern zwischen Wort und Tat verstreichen – schon befand er sich auf dem Pier, schritt die letzten paar Ellen entlang, um vor Bonaparte stehenzubleiben und seinen Salut abzunehmen. Frederic jedoch kannte seine eigene Stellung im Leben und auch die Bonapartes; Bonaparte würde schon zu ihm kommen müssen. Man mochte Bonaparte vielleicht zum General machen, aber einen Herren konnte man nie aus ihm machen.
La Fayette strahlte natürlich. »General Bonaparte, es ist uns eine Ehre, Euch hierzuhaben. Ich bedaure nur, daß wir Euch nicht die Bequemlichkeiten von Paris bieten können ...«
»Mein Herr Gouverneur«, sagte Bonaparte – und brachte natürlich alle Anredefloskeln durcheinander, »ich habe die Bequemlichkeiten von Paris nie kennengelernt. Alle meine glücklichsten Augenblicke im Leben verbrachte ich im Felde.«
»Und es sind auch die glücklichsten Augenblicke Frankreichs, wenn Ihr Euch im Felde befindet. Kommt, laßt mich Euch General de Maurepas vorstellen. Er wird in Detroit Euer vorgesetzter Offizier sein.«
Frederic vernahm die kleine Pause, bevor La Fayette das Wort Vorgesetzter ausgesprochen hatte. Frederic wußte, wann man ihn lächerlich machte. Ich werde mir jede Verletzung merken, Gilbert, und ich werde Euch alles zurückzahlen.
Das Löschen der Ladung durch die Irrakwa verlief sehr zügig; es dauerte keine Stunde, bis die Kanalbarkasse sich wieder auf den Weg machte. Natürlich verbrachte La Fayette den ersten Nachmittag damit, Bonaparte alles über Stephensons Dampfmaschine zu erzählen. Bonaparte tat interessiert, stellte alle nur erdenklichen Fragen über die Möglichkeit von Mannschaftstransporten und darüber, wie schnell sich hinter einer vorrückenden Armee Schienen legen ließen und wie leicht diese Schienenstraßen durch Feindestätigkeit gestört werden konnten – doch das war alles so langweilig und ermüdend, daß Frederic sich gar nicht vorstellen konnte, wie Bonaparte es nur aushielt. Natürlich mußte ein Offizier so tun, als würde er sich für alles interessieren, was sein Gouverneur sagte, aber Bonaparte trieb die Sache auf die Spitze.
Es dauerte nicht lange, da war Frederic vom Gespräch so gut wie ausgeschlossen, doch das bekümmerte
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