Der rote Prophet
hat er mich geschickt«, antwortete Bonaparte. »Das bedeutet, daß er einen Sieg erwartet.«
»Aber Ihr seid doch ein General«, wandte La Fayette ein. »Generäle haben wir hier bereits.«
»Und außerdem«, warf Frederic ein, »führt nicht Ihr das Kommando. Ich führe das Kommando.«
»Die oberste militärische Verfügungsgewalt hat hier der Marquis«, wandte Bonaparte ein.
Frederic begriff ganz und gar: La Fayette besaß auch die Verfügungsgewalt, Frederic unter Bonapartes Befehl zu stellen, wenn er das wünschte. Er warf La Fayette einen besorgten Blick zu, doch der strich sich gerade in aller Ruhe Gänseleberpastete auf sein Brot. La Fayette lächelte gütig. »General Bonaparte steht unter Eurem Kommando, Frederic. Das wird sich nicht ändern. Niemals. Ich hoffe, daß das klar ist, mein lieber Napoleon.«
»Selbstverständlich«, erwiderte Napoleon. »Ich würde nicht im Traum daran denken, das zu ändern. Ihr müßt wissen, daß der König auch noch mehr als nur Generäle nach Kanada schickt. Im Frühling treffen tausend Soldaten hier ein.«
»Ja, schön, ich bin sehr beeindruckt zu erfahren, daß er versprochen hat, wieder zusätzliche Truppen zu schicken – haben wir solche Versprechen nicht schon Dutzende Male gehört, Frederic? Es ist mir stets ein Trost, wieder ein Versprechen des Königs zu vernehmen.« La Fayette leerte sein Weinglas. »Aber Tatsache ist, mein teurer Napoleon, daß wir bereits Soldaten haben, die nichts anderes tun, als in den Garnisonen von Fort Detroit und Fort Chicago herumzusitzen und mit Bourbon Skalps einzukaufen. Welch eine Verschwendung von Bourbon! Die Roten trinken ihn wie Wasser, und er bringt sie um.«
»Wenn wir keine Generäle brauchen und keine Soldaten«, fragte Bonaparte herablassend, »was brauchen wir denn dann Eurer Meinung nach, um diesen Krieg zu gewinnen?«
Frederic konnte sich nicht entscheiden, ob er Bonaparte dafür verabscheute, daß er in einem solch beleidigenden Ton mit einem Aristokraten sprach, oder ob er ihn dafür schätzte, daß er in einem solch ungehobelten Ton mit dem verabscheuungswürdigen Marquis de La Fayette redete.
»Um zu siegen? Zehntausend französische Siedler«, erwiderte La Fayette. »Den Amerikanern ein Gegengewicht schaffen, Mann um Mann, Frau um Frau, Kind um Kind. Wir müssen es in diesem Teil des Landes unmöglich machen, irgendwelche Geschäfte abzuwickeln, ohne Französisch zu sprechen. Wir müssen sie zahlenmäßig besiegen.«
»Niemand kommt hierher, um in einem derart wilden Land zu leben«, sagte Frederic, wie er es schon viele Male zuvor getan hatte.
»Bietet ihnen freien Grund und Boden an, und sie werden kommen«, widersprach La Fayette.
»Pöbel«, höhnte Frederic. »Noch mehr Pöbel brauchen wir ja hier wohl kaum.«
Bonaparte musterte La Fayettes Gesicht einen Augenblick, ohne etwas zu sagen. »Der wirtschaftliche Wert dieser Ländereien liegt im Pelzhandel«, sagte er dann ruhig. »Der König hat sich in diesem Punkt sehr deutlich ausgedrückt. Er wünscht keine europäischen Siedlungen außerhalb der Forts.«
»Dann wird der König diesen Krieg eben verlieren«, meinte La Fayette fröhlich, »egal, wie viele Generäle er uns schickt. Und damit, meine Herren, wäre dieses Essen wohl beendet.«
La Fayette erhob sich und verließ sofort den Tisch.
Bonaparte drehte sich zu Frederic um, der sich ebenfalls gerade erheben wollte. Er streckte die Hand vor und berührte Frederics Handgelenk. »Bleibt, bitte«, sagte er. Nein, tatsächlich hatte er nur ›Bleibt‹ gesagt, doch für Frederic fühlte es sich so an, als würde er bitte sagen, als wollte er tatsächlich, daß Frederic bei ihm blieb, daß er Frederic schätzte und verehrte ...
»Mein Herr de Maurepas«, murmelte der korsische Korporal. Oder sagte er lediglich Maurepas, während Frederic sich den Rest einfach einbildete? Was er auch sagte, seine Stimme klang voller Respekt, Vertrauen, Hoffnung ...
Also blieb Frederic.
Bonaparte sagte fast nichts. Nur die üblichen Artigkeiten. Wir sollten gut zusammenarbeiten. Wir können dem König auf geeignete Weise dienen. Ich werde Euch helfen, wo ich nur kann.
Doch für Frederic waren es viel mehr als bloße Worte. Die Verheißung zukünftiger Ehrungen, der triumphalen Rückkehr nach Paris. Sieg über die Amerikaner, und vor allem die Zurechtweisung La Fayettes, ein Triumph über den demokratischen, verräterischen Marquis. Er und dieser Bonaparte würden es gemeinsam schaffen. Einige wenige Jahre
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