Der rote Prophet
Geduld, das Aufbauen einer solch großen Armee von Roten, daß es die Amerikaner provozierte, ebenfalls eine Armee zusammenzustellen; und dann könnten sie diese amerikanische Armee besiegen und nach Hause zurückkehren. Mehr brauchte es nicht. Es war fast ein Fieber der Hoffnung und des Vertrauens, das Frederics Herz erfüllte, bis ...
Bis Bonaparte die Hand von Frederics Handgelenk nahm.
Es war, als hätte Bonapartes Hand die Verbindung zu einer gewaltigen Quelle der Lebenskraft und der Wärme hergestellt, sobald die Berührung endete, wurde ihm kalt und matt. Doch Bonaparte lächelte immer noch, und Frederic sah ihn an und erinnerte sich an dieses Gefühl der Verheißung, das er soeben empfunden hatte. Wie hatte er nur jemals glauben können, daß die Zusammenarbeit mit Bonaparte etwas anderes sein könnte als gedeihlich? Der Mann kannte seinen Platz, soviel war sicher. Frederic würde Bonapartes unbestreitbare militärische Fähigkeiten benutzen, und gemeinsam würden sie siegen und im Triumph nach Frankreich zurückkehren ...
Bonapartes Lächeln verblaßte, und wieder empfand Frederic das vage Gefühl eines Verlusts.
»Ich wünsche Euch einen guten Abend«, sagte Bonaparte. »Wir werden uns am Morgen sehen, mein Herr.«
Der Korse verließ den Raum.
Hätte Frederic seine eigene Miene sehen können, so hätte er darin vielleicht etwas wiedererkannt: In seinem Gesicht spiegelte sich jener Ausdruck der Liebe und Hingabe, den alle jüngeren Offiziere Bonapartes aufwiesen. Doch er konnte sein eigenes Gesicht nicht sehen. In dieser Nacht legte er sich mit einem größeren Gefühl des Friedens und der Zuversicht, der Hoffnung und der Aufregung zu Bett als jemals zuvor in seinen langen Jahren in Kanada. Er fühlte sich sogar ... Was, was für ein Gefühl ist das nur, fragte er sich – ah, ja. Intelligent. Er fühlte sich sogar intelligent.
Es war tiefe Nacht, aber die Kanalarbeiter waren fleißig, pumpten mit ihrer lärmenden Dampfmaschine Wasser in die Schleuse. Es war ein Wunderwerk der Ingenieurkunst, das steilste Schleusensystem aller Kanäle der Welt. Der Rest der Welt wußte nichts davon. Europa hielt Amerika noch immer für ein Land von Wilden. Doch der unternehmerische Geist der Vereinigten Staaten von Amerika, vom Beispiel des alten Zauberers Ben Franklin inspiriert, ermunterte Erfindungen und Fleiß. Gerüchten zufolge hatte ein Mann namens Fulton ein dampfgetriebenes Schiff gebaut, das den Hudson hinauf und hinunter fuhr – ein Dampfboot, das man König Charles angeboten und das zu finanzieren er sich geweigert hatte! In Suskwahenny und Appalachee bohrten sich Kohlenzechen ins Erdreich. Und hier im Staate Irrakwa übertrumpften die Roten die Weißen noch bei ihrem eigenen Spiel, indem sie Kanäle bauten, dampfgetriebene Wagen, die auf Schienenstraßen fuhren, dampfgetriebene Webstühle, die die Baumwolle der Kronkolonien ausspien und sie in feine Garne verwandelten, die allen Produkten Europas standhalten konnten – zum halben Preis. Diese Entwicklung stand erst an ihrem Beginn, doch schon jetzt steuerte bereits über die Hälfte aller Schiffe, die den St. Lawrence River hinaufkamen, Irrakwa an und nicht etwa Kanada.
La Fayette stand an der Reling, bis die Schleuse gefüllt war und man es den Feuern der Dampfmaschine gestattete, zu verlöschen. Dann ertönte das Klappklappklapp der Kanalpferde, und das Boot glitt wieder durch das Wasser. La Fayette wandte sich von der Reling ab und ging ruhig die Treppen zu seiner Kabine hinauf. Bei Tagesanbruch würden sie in Port Buffalo sein. De Maurepas und Bonaparte würden gen Westen nach Detroit reisen. La Fayette würde ins Gouverneursgebäude in Niagara zurückkehren. Dort würde er sitzen, Befehle erteilen und zusehen, wie die Politik von Paris jede Zukunft der Franzosen in Kanada zunichte machte. La Fayette konnte nicht das geringste tun, um die Amerikaner, die Roten wie die Weißen, daran zu hindern, Kanada zu übertreffen und es abzuhängen. Aber er konnte einige wenige Dinge tun, die dabei halfen, Frankreich zu einem Staat zu machen, der ebenso kühn wie Amerika nach der Zukunft greifen würde.
In seinen Gemächern legte sich La Fayette aufs Bett und lächelte. Er konnte sich vorstellen, was Bonaparte heute nacht mit dem armen, hohlköpfigen Freddie getan hatte. Der junge Comte de Maurepas war zweifellos seinem Charme erlegen. La Fayette hätte Ähnliches passieren können, doch hatte man ihn vorgewarnt, wozu Bonaparte fähig war, wie er die Leute
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