Der rote Prophet
war wie Thrower. Denn das Haus von Brustwehr-Gottes war das am stärksten mit Zauber geschützte Haus, das Lolla-Wossiky jemals gesehen hatte. Ja, das war auch einer der Gründe, weshalb Brustwehr ihn beeindruckt hatte, denn er schien genug zu wissen, um seine Zauber aus lebenden Dingen herzustellen. Lebende Pflanzen, die auf bestimmte Weise auf der Veranda angeordnet waren, lebendige Keime, die in sorgfältig arrangierten Gläsern lagen, Knoblauch, Beerensaftflecken, alles so kraftvoll angeordnet, daß Lolla-Wossiky sogar trotz des Branntweins den Zauber spürte. Und doch wußte Brustwehr-Gottes nicht einmal, daß sein Haus überhaupt irgendwelche Zauber besaß. »Meine Frau Eleanor, deren Familie hat schon immer Zauber besessen. Ihr kleiner Bruder Al Junior, das ist der Sechsjährige, der dort hinten mit dem blonden Schwedenjungen ringt – seht Ihr ihn? Das ist ein richtiger Zauberschnitzer, sagt man.«
Lolla-Wossiky sah zu dem Jungen hinüber, konnte ihn aber nicht genau erkennen. Zwar sah er den blondhaarigen Jungen, mit dem er gerade raufte, aber die Umrisse des anderen wurden einfach nicht deutlich, und er wußte auch nicht warum.
Brustwehr redete immer noch. »Ist das nicht scheußlich? So jung, und schon wird er von Jesus Christus fortgeführt.
Jedenfalls ist es Eleanor wirklich schwergefallen, diese ganze Zauberei aufzugeben. Aber sie hat es getan. Sie hat es mir feierlich versprochen, sonst hätten wir auch nie geheiratet.«
In diesem Augenblick kam Eleanor, die schöne Frau, die die weißen Männer für häßlich hielten, zu ihnen, um den Eßkorb wieder abzuholen. Sie hörte die letzten Sätze ihres Mannes, ließ sich aber nicht anmerken, daß sie ihr etwas bedeuteten. Doch als sie Lolla-Wossikys Schale entgegennahm und ihm in die Augen sah, da hatte er das Gefühl, als würde sie ihn fragen. Hast du diesen Zauber gesehen?
Lolla lächelte sie an, sein gewaltigstes Lächeln, damit sie wußte, daß er nicht vorhatte, ihrem Mann etwas davon zu erzählen.
Sie erwiderte sein Lächeln, zögernd, mißtrauisch. »Hat Euch das Essen geschmeckt?« fragte sie.
»Alles zu verkocht«, meinte Lolla-Wossiky. »Blutgeschmack ganz weg.«
Ihre Augen weiteten sich. Brustwehr lachte nur und schlug Lolla-Wossiky auf die Schulter. »Nun, so ist das eben, wenn man zivilisiert ist. Dann trinkt man kein Blut mehr. Ich hoffe, daß Eure Taufe Euch auf den rechten Weg führt – es ist ganz offensichtlich, daß Ihr schon lange auf dem falschen wart.«
»Ich habe mich schon gefragt ...«, sagte Eleanor – und dann hielt sie inne, sah zuerst auf Lolla-Wossikys Lendenschurz und blickte dann ihren Mann an.
»Ach ja, darüber haben wir gestern abend noch gesprochen. Ich habe ein paar alte Hosen und ein Hemd, das ich nicht mehr anziehe, und Eleanor macht mir sowieso neue Kleider, da dachte ich mir, daß Ihr nun, da Ihr ja getauft seid, Euch wirklich endlich mal wie ein Christ kleiden solltet.«
»Sehr heißer Tag«, meinte Lolla-Wossiky.
»Ja, nun, Christen halten eben etwas von züchtiger Bekleidung, Lolla-Wossiky.« Brustwehr lachte und schlug ihm erneut auf die Schulter.
»Ich kann die Kleider heute nachmittag herbringen«, sagte Eleanor.
Lolla-Wossiky hielt das für einen sehr dummen Gedanken. Rote Männer sahen immer lächerlich aus, wenn sie in der Kleidung der Weißen steckten. Aber er wollte nicht widersprechen, weil sie versuchten, sehr freundlich zu ihm zu sein. Und vielleicht würde die Taufe ja doch noch funktionieren, wenn er die Kleider des weißen Mannes anzog. Vielleicht würde dann das schwarze Geräusch verschwinden.
Also antwortete er nicht. Statt dessen sah er zu der Stelle hinüber, wo der blonde Junge in Kreisen umherlief und dabei rief: »Alvin! Ally!« Lolla-Wossiky bemühte sich sehr, den Jungen zu erkennen, den der andere verfolgte. Er sah einen Fuß, der den Boden berührte und Staub aufwirbelte, eine Hand, die durch die Luft fuhr, doch den Jungen selbst erblickte er nie so richtig. Sehr seltsam.
Eleanor wartete auf seine Antwort. Lolla-Wossiky sagte nichts, da er gerade den Jungen beobachtete, der gar nicht da war. Schließlich lachte Brustwehr-Gottes laut auf und sagte: »Bring uns ruhig die Kleider, Eleanor. Wir werden ihn schon wie einen Christen anziehen, und vielleicht kann er uns morgen beim Kirchenbau helfen, kann damit beginnen, ein christliches Handwerk zu erlernen. Dann geben wir ihm mal eine Säge in die Hand.«
Lolla-Wossiky hörte den letzten Satz nicht, sonst wäre er vielleicht
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