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Der rote Prophet

Der rote Prophet

Titel: Der rote Prophet Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Orson Scott Card
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»Wer hätte gedacht, daß der Herr sich des Armes der Heiden bedienen würde, um sein Werk zu vollbringen?«
    »Wovon redet Ihr da?« fragte Brustwehr.
    »Nichts, Brustwehr, nichts. Nur davon, daß all dies genau, und zwar ganz genau das sein könnte, was der Herr vorhat.«
    Oben auf dem Hügel im Haus der Millers saß Al noch immer am Frühstückstisch. Am Abend zuvor hatte er nichts gegessen, und als er heute versucht hatte, zu frühstücken, hatte er würgen müssen. Faith hatte alles wieder abgeräumt und stand nun hinter ihm, rieb ihm die Schultern. Nicht ein einziges Mal sagte sie zu ihm: Ich habe dir doch gesagt, daß du sie nicht wegschicken sollst. Doch beide wußten es. Wie ein Schwert hing es zwischen ihnen, und keiner von beiden wagte es, die Hand nach dem anderen auszustrecken, so sehr fürchtete er sich davor.
    Die Stille wurde unterbrochen, als Wastenot eintrat, ein Gewehr über die Schulter geschlungen. Er stellte es neben der Haustür ab, schwang sich einen Stuhl zwischen die Beine und setzte sich nieder, um seine Eltern anzuschauen. »Sie sind fort, um die Armee zu holen.«
    Zu seiner Überraschung senkte sein Vater nur den Kopf und legte ihn auf seine Arme, die verschränkt auf dem Tisch lagen.
    Mutter sah ihn an, ihr Gesicht war hager vor Sorge und Trauer. »Seit wann kannst du mit dem Ding dort umgehen?«
    »Ich und Wantnot haben geübt«, antwortete er.
    »Wirst du Rote damit umbringen?«
    Wastenot war überrascht von der Abscheu in ihrer Stimme. »Ich will es wirklich hoffen«, sagte er.
    »Und wenn all die Roten dann tot sind und ihr ihre Leichen aufeinander häuft, werden Measure und Alvin dann irgendwie aus diesem Haufen hervorkriechen und zu mir nach Hause zurückkehren?«
    Wastenot schüttelte den Kopf.
    »Gestern abend ist irgendein Roter zu seiner Familie nach Hause zurückgekehrt, ganz stolz darauf, daß er gestern ein paar weiße Jungen getötet hat.« Ihre Stimme stockte, als sie es sagte, dennoch fuhr sie fort, denn wenn Faith Miller etwas zu sagen hatte, wurde es auch gesagt. »Und vielleicht hat seine Frau oder seine Mutter ihm dafür auf die Schulter geklopft und ihm das Abendessen zubereitet. Aber komm du mir nie durch diese Tür, um mir zu sagen, daß du einen roten Mann getötet hast. Denn dann bekommst du kein Abendessen und keinen Kuß, und man wird dir auch nicht auf die Schultern klopfen, und du bekommst kein einziges Wort zu hören und du bekommst kein Zuhause und keine Mutter, hast du mich verstanden?«
    Er verstand sie sehr gut, doch es gefiel ihm nicht. Er stand auf, schritt zur Tür zurück und nahm das Gewehr auf. »Du kannst denken, was du willst, Mama«, sagte er, »aber das hier ist Krieg, und ich werde einige Rote töten, und ich werde auch nach Hause zurückkehren und werde dafür so stolz einstehen, wie ich nur kann. Und wenn das bedeutet, daß du dann nicht mehr meine Mutter sein willst, dann kannst du auch schon jetzt damit aufhören, meine Mutter zu sein, dann brauchst du nicht erst zu warten, bis ich zurückgekehrt bin.« Er öffnete die Tür, hielt aber noch inne, bevor er sie hinter sich zuschlug. »Freu dich nur, Mama, vielleicht komme ich ja auch gar nicht mehr zurück.«
    Noch nie in seinem ganzen Leben hatte er so mit seiner Mutter gesprochen, und auch jetzt war er sich nicht sicher, daß es ihm gefiel. Doch sie benahm sich verrückt, sie wollte nicht begreifen, daß jetzt Krieg herrschte, daß diese Roten den Weißen offen den Kampf angesagt hatten und ihnen daher gar nichts anderes mehr übrigblieb.
    Was ihm jedoch am meisten zu schaffen machte, als er sein Pferd bestieg und zu David hinausritt, war, daß er den Verdacht nicht loswurde, daß Papa weinte. Das war wirklich unerhört. Noch gestern hatte Papa so hitzig gegen die Roten geredet, und heute redete Mama gegen den Krieg, und Papa saß einfach nur da und weinte. Vielleicht wurde er alt. Aber das konnte Wastenot jetzt nicht kümmern. Vielleicht wollten Papa und Mama jene nicht töten, die ihnen ihre Söhne genommen hatten – doch Wastenot wußte, was er mit denen tun würde, die ihm seine Brüder genommen hatten. Deren Blut war sein Blut, und wer immer sein Blut vergoß, der würde auch sein eigenes vergießen, eine ganze Gallone für jeden Tropfen.

9. Lake Mizogan
    In seinem ganzen Leben hatte Alvin noch nie so viel Wasser auf einmal gesehen. Er stand oben auf einer Sanddüne und blickte über den See. Measure stand neben ihm, eine Hand auf Als Schulter gelegt.
    »Pa hat mir aufgetragen,

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