Der rote Prophet
einmal etwas gestohlen? Hat er einem eurer Kinder auch nur ein Haar gekrümmt? Ein Schwein entwendet? Hat er irgendeinem von euch etwas Böses getan?«
»Ich denke, Al Millers Jungen zu entführen, ist ja wohl böse genug!« erwiderte ein anderer Mann.
»Ich spreche von den Roten in Prophetstown! Ihr wißt genau, daß die nie ein Verbrechen begangen haben. Und ihr kenn auch den Grund. Der Prophet hat ihnen gesagt, sie sollten in Frieden leben, sollten in ihrem eigenen Land bleiben und dem weißen Mann keinen Schaden zufügen.«
»Das sagt Ta-Kumsaw aber nicht!«
»Na, und selbst wenn sie den Weißen irgendein scheußliches Verbrechen antun wollten – was ich nicht behaupten will –, glaubt denn auch nur einer von euch, daß Ta-Kumsaw oder Tenskwa-Tawa so dumm sind, dann auch noch mit ihrem eigenen Namen zu unterschreiben?«
»Die sind stolz darauf, Weiße umzubringen!«
»Wenn der rote Mann klug wäre, dann wäre er Weiß!«
»Versteht ihr jetzt, was ich mit Freund der Roten meine?«
Brustwehr-Gottes kannte diese Leute, und er wußte, daß die meisten von ihnen immer noch auf seiner Seite standen. Selbst die Grollenden und Knurrenden würden nicht auf eigene Faust irgendeine Dummheit begehen. Sie würden warten, bis die ganze Gruppe sich zum Handeln entschlossen hatte. Also ließ er sie ihn einen Freund der Roten heißen, denn wenn Männer Angst hatten und wütend waren, dann sagten sie oft Dinge, die sie später bereuten. Solange sie nur abwarteten. Und solange sie sich nicht gleich in einen Krieg gegen die Roten stürzten.
Denn Brustwehr hatte seine Zweifel, was diese ganze Angelegenheit anging. Die Sache war viel zu einfach, wie diese Pferde mit in die Sättel eingeritzten Namen nach Hause zurückgeschickt worden waren. Das war nicht die Art der Roten, nicht einmal jener schlimmen Roten, die einen auf der Stelle umbringen würden, sobald sie einen erblickten. Brustwehr verstand genug von den Roten, um zu wissen, daß sie einen Menschen nur marterten, um ihm Gelegenheit zu geben, sich als tapfer zu erweisen, und nicht, um die Leute zu terrorisierten. (Die meisten Roten zumindest – es gab allerdings auch einige andere Geschichten über die Irrakwa vor der Zeit, als sie zivilisiert geworden waren.) Wer immer dies hier also getan hatte, verhielt sich nicht wie ein echter Roter. Brustwehr war fest davon überzeugt, daß irgend jemand sie angestiftet hatte.
Die Franzosen in Detroit hatten schon seit Jahren versucht, zwischen den Roten und den amerikanischen Siedlern einen Krieg vom Zaun zu brechen – möglicherweise steckten sie dahinter. Vielleicht aber auch Bill Harrison. Diesem Kerl, der unten in seinem Fort am Hio wie eine Spinne lauerte, war so etwas durchaus zuzutrauen. Natürlich sprach Brustwehr nicht laut über diese Vermutung, weil dann manche Leute glauben würden, daß er nur neidisch auf Bill Harrison war, was ja auch stimmte – er war tatsächlich neidisch. Aber er wußte auch, daß Harrison ein bösartiger Mann war, der alles tun würde, damit die Dinge so liefen, wie er es haben wollte. Vielleicht würde er sogar ein paar wilde Rote anheuern, um in der Nähe von Prophetstown ein paar weiße Jungen umzubringen. Schließlich war es Tenskwa-Tawa gewesen, der die meisten Roten in Harrisons Gebiet dazu gebracht hatte, dem Whisky abzuschwören und nach Prophetstown zu kommen. Und es war Ta-Kumsaw gewesen, der die Hälfte der weißen Siedler dort unten vertrieben hatte. Für Brustwehr sah es danach aus, als steckte Harrison hinter der ganzen Sache; das erschien ihm sehr viel wahrscheinlicher als die Franzosen.
Doch nichts von dem konnte er laut sagen, weil es keine Beweise gab. Deshalb mußte er dafür sorgen, daß die Dinge ruhig blieben, bis die Sache sich aufklären ließ.
Was bald der Fall sein könnte. Sie hatten den alten Tack Sweeper mitgebracht, der schnaufend mit den Stärksten von ihnen Schritt gehalten hatte; es war beachtlich, wie kräftig er für einen Mann war, dessen Lungen sich beim Atmen wie eine Kinderrassel anhörten. Tack Sweeper besaß eine Fähigkeit, die nicht immer ganz zuverlässig war, worauf er selbst stets hinwies. Doch manchmal funktionierte sie erstaunlich gut. Er konnte sich eine Weile mit geschlossenen Augen an einen Ort stellen und gewissermaßen sehen, was dort in der Vergangenheit geschehen war. Es waren nur schnelle, kleine Visionen, einige wenige Gesichter. Wie damals, als sie befürchtet hatten, daß Jan de Vries sich selbst absichtlich umgebracht hatte
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