Der rote Prophet
weitere Jungen verloren. Ich habe jetzt nur noch fünf Söhne, aber eines sage ich euch: Denen werde ich persönlich die Gewehre in die Hand drücken, und ich werde sie mitten nach Prophetstown führen und diese Roten zur Hölle schicken, und wenn wir alle dabei draufgehen! Habt Ihr mich verstanden?«
Sie hatten ihn verdammt gut verstanden. Sie hatten ehrfürchtig gelauscht und schrien jetzt ihre Antwort heraus. Das war es, was sie im Augenblick hatten hören wollen, das Wort des Hasses und des Zorns und der Rache, und keiner war besser dazu geeignet, es ihnen zu geben, als Al Miller, der normalerweise ein friedliebender Mann war. Und daß er der Vater der entführten Jungen war, verlieh seinen Worten nur noch mehr Nachdruck.
»So, wie ich die Sache sehe«, fuhr Al Miller fort, »hat Bill Harrison die ganze Zeit recht gehabt. Kein roter und kein weißer Mann können sich dieses Land teilen. Und ich sage euch noch etwas: Ich bin es nicht, der von hier verschwinden wird. Dazu ist schon zuviel von meinem eigenen Blut vergossen worden, als daß ich jetzt meine Sachen packen und gehen würde. Ich bleibe, entweder auf diesem Grund und Boden oder darunter.«
Ich auch, sagten alle seine Jungen. So wird es sein, Al Miller. Wir bleiben.
»Dank unserem Brustwehr hier haben wir kein Staket und kein Fort der US-Armee, das näher läge als Carthage City. Wenn wir jetzt kämpfen, könnte es sein, daß wir alles und alle verlieren. Also wollen wir die Roten so gut abwehren, wie wir nur können, und Hilfe holen. Ein Dutzend Männer soll sich nach Carthage City begeben und Bill Harrison bitten, uns eine Armee zu schicken und vielleicht auch seine Kanonen, wenn er kann. Meine beiden Jungen sind von uns gegangen, und das Leben von tausend Roten für jeden meiner Söhne wird nicht genügen, um mir Genugtuung zu verschaffen!«
Schon am nächsten Morgen machten sich die zwölf Reiter auf den Weg nach Süden. Sie hatten sich auf der Gemeindewiese gesammelt, die von Wegen überfüllt war, als immer mehr Familien aus den fernen Farmen in die Stadt kamen, um bei Freunden und Verwandten unterzukommen. Doch Al Miller war nicht dort, um sie zu verabschieden. Gestern hatten seine Worte sie noch alle in Erregung versetzt, doch mehr würden sie von ihm nicht bekommen. Er wollte die Sache nicht leiten, er wollte nur seine Jungen wiederhaben.
In der Kirche saß Brustwehr-Gottes niedergeschlagen in der vordersten Reihe.
»Wir begehen einen schrecklichen Fehler«, sagte er zu Reverend Thrower.
»Das tun die Menschen immer«, meinte Thrower, »wenn sie ihre Entscheidungen ohne die Hilfe des Herrn fällen.«
»Es war nicht Ta-Kumsaw. Das weiß ich. Und der Prophet war es auch nicht.«
»Er ist kein Prophet, zumindest kein Prophet Gottes«, versetzte Thrower.
»Ein Mörder ist er aber auch nicht«, erwiderte Brustwehr. »Vielleicht hat Tack recht gehabt, vielleicht hatte Ta-Kumsaw tatsächlich irgend etwas damit zu tun. Aber eins weiß ich: Ta-Kumsaw ist auch kein Mörder. Gewiß, im Krieg tötet auch er, aber während seiner ganzen Überfälle unten im Süden hat er keine Menschenseele getötet. Wenn Ta-Kumsaw diese Jungen in seiner Gewalt hat, dann sind sie ebenso sicher, als lägen sie zu Hause bei ihrer Mutter im Bett.«
Thrower seufzte. »Ich vermute, daß Ihr diese Roten besser kennt als ich.«
»Ich kenne sie besser als jeder andere.« Er lachte verbittert. »Deshalb nennt man mich ja Freund der Roten und hört nicht auf das, was ich sage. Jetzt rufen sie diesen mit Whisky handelnden Tyrannen aus Carthage City herbei, um hier die Sache zu übernehmen. Egal, was er tut, er wird zum Helden werden. Dann werden sie ihn wirklich zum Gouverneur machen. Herrje, wahrscheinlich machen sie ihn sogar zum Präsidenten, wenn Wobbish sich jemals den USA anschließen sollte.«
»Ich kenne diesen Harrison nicht. Er kann unmöglich solch ein Teufel sein, wie Ihr ihn darstellt.«
Brustwehr lachte. »Manchmal, Reverend, glaube ich, daß Ihr vertrauensselig seid wie ein kleines Kind.«
»Was uns der Herr zu sein ja auch aufgetragen hat. Brustwehr-Gottes, seid geduldig. Alles wird so werden, wie der Herr es beabsichtigt.«
Brustwehr vergrub das Gesicht in seinen Händen. »Das hoffe ich, Reverend, das hoffe ich wirklich. Aber ich denke immer noch an Measure, ein so guter Mann, und an diesen jungen Alvin, diesen Jungen mit dem lieblichen Gesicht, und wie sehr sein Papa ihn schätzt und ...«
Throwers Miene wurde grimmig. »Alvin Junior«, murmelte er.
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