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Der Rote Sarg

Der Rote Sarg

Titel: Der Rote Sarg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sam Eastland
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Lastenträger. »Die Kugel hat ihn noch nicht einmal gestreift.«
    »Aber ich hab’s gesehen!«, schrie die Frau, die ihn an der Schulter gepackt hatte.
    »Er hat nie und nimmer vorbeischießen können!«, sagte der Lastenträger.
    »Vielleicht hat die Pistole nicht funktioniert!«, sagte ein anderer, ein Fischhändler mit einem Schurz voller Schuppen und Eingeweide. Er hob die Waffe auf.
    »Natürlich funktioniert die!« Der Lastenträger zeigte auf den Toten. »Das ist doch der Beweis!«
    Eine Blutlache bildete sich um den Kopf des Toten. Der Homburg lag neben ihm, umgedreht wie ein aus dem Baum gefallenes Vogelnest. Gebannt starrte Pekkala auf die winzige Seidenschleife, mit der die beiden Enden des ledernen Schweißbands verbunden waren.
    »Lassen Sie sehen«, sagte der Lastenträger und wollte vom Fischhändler die Waffe entgegennehmen.
    »Seien Sie vorsichtig!«, blaffte der Fischhändler.
    Als sich ihre Finger um die Waffe schlossen, löste sich ein Schuss. Die Kugel krachte in eine Kartoffelkiste.
    Die beiden Männer schrien auf und ließen die Pistole fallen.
    »Das reicht!«, kam es leise von Pekkala.
    Sie starrten ihn mit aufgerissenen Augen an, als wäre er eine soeben zum Leben erweckte Statue.
    Pekkala hob die Pistole auf und steckte sie sich in die Tasche. »Holen Sie die Polizei«, sagte er leise.
    Die beiden Männer, aus ihrer Starre erlöst, rannten in unterschiedliche Richtungen davon.
    Später an diesem Abend, nachdem Pekkala der Petrograder Polizei Bericht erstattet hatte, fand er sich im Arbeitszimmer des Zaren wieder.
    Der Zar saß hinter seinem Schreibtisch. Er hatte den gesamten Abend die Zeitungen durchgesehen und im Licht einer Kerze, die in einem Bronzehalter in Form eines quakenden Frosches steckte, gearbeitet. Er bestand darauf, sämtliche Staatsdokumente persönlich zu lesen, und fügte mit einem blauen Stift Randbemerkungen hinzu. Das verlangsamte zwar die Regierungsgeschäfte, aber der Zar bestand auf diesem Prozedere. Jetzt hatte er seine Papiere zur Seite gelegt. Er stützte die Ellbogen auf den Tisch und setzte das Kinn auf die gefalteten Hände. So sah er Pekkala mit seinen sanften blauen Augen an. »Ihnen geht es wirklich gut?«
    »Ja, Exzellenz«, antwortete Pekkala.
    »Nun, mir nicht, wie ich Ihnen nicht verheimlichen möchte«, sagte der Zar. »Was zum Teufel ist vorgefallen, Pekkala? Ich habe gehört, ein Verrückter hat Ihnen in die Brust geschossen, aber die Kugel hat sich in Luft aufgelöst. Die Polizei hat die Pistole überprüft. Laut dem Bericht ist sie uneingeschränkt funktionsfähig. Die ganze Stadt spricht davon. Sie sollten den Unsinn hören, der darüber verbreitet wird. Man hält Sie für ein übernatürliches Wesen. Morgen wird es das ganze Land wissen. Irgendeine Vorstellung, wer der Täter war oder warum er Sie umbringen wollte?«
    »Nein, Exzellenz. Er trug keinerlei Ausweispapiere bei sich. Sein Körper weist keinerlei charakteristische Merkmale auf, keine Tätowierungen, Narben oder Leberflecken. Aus seiner Kleidung wurden alle Etiketten entfernt. Auch passt auf ihn keine Beschreibung der von der Polizei gesuchten Personen. Wahrscheinlich werden wir nie erfahren, wer er war oder warum er mich töten wollte.«
    »Ich habe befürchtet, dass Sie das sagen werden«, erwiderte der Zar. Er lehnte sich auf seinem Stuhl zurück und ließ den Blick über die Buchrücken in den Regalen schweifen. »Wir bekommen also keine Antwort.«
    »Wir haben eine«, sagte Pekkala und legte etwas auf den Schreibtisch – einen schrumpeligen grauen Klumpen von der Größe eines Rotkehlcheneis.
    Der Zar nahm es in die Hand. »Was ist das? Es ist schwer.«
    »Blei.« Die Kerzenflamme zitterte. Ein Wachstropfen floss ins offene Froschmaul.
    »Ist das die Kugel?« Er betrachtete sie, wobei er ein Auge zusammenkniff, wie ein Juwelier, der einen Diamanten prüfte.
    »Zwei Kugeln, die zusammengeschmolzen sind«, sagte Pekkala.
    »Zwei?«, fragte der Zar. »Und woher haben Sie sie?«
    »Ich habe sie aus dem Schädel des Toten.«
    Der Zar ließ die Kugel auf den Schreibtisch fallen. »Das hätten Sie mir auch gleich sagen können.« Er zog ein Taschentuch heraus und wischte sich die Finger ab.
    »Während die Polizei die Waffe untersuchte«, erklärte Pekkala, »habe ich die Leiche untersucht. Es war nicht die Pistole, die versagt hat, Exzellenz, sondern die Patrone.«
    »Ich kann Ihnen nicht folgen.« Der Zar runzelte die Stirn. »Wie kann eine Patrone versagen?«
    »Die auf mich

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