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Der Rote Sarg

Der Rote Sarg

Titel: Der Rote Sarg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sam Eastland
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ihr nachsagte, schien nicht zu ihrem sanften Gesicht zu passen, und die Kleidung, die sie trug, wäre ihm schon mit zwölf zu klein gewesen.
    »Wer von Ihnen ist Pekkala?«, fragte sie.
    »Ich.« Pekkala spürte ihren Blick auf sich.
    »Was ist hier passiert?«, fragte sie und deutete auf Samarins Leichnam.
    Pekkala erklärte es ihr.
    »Und es ist Ihnen nicht gelungen, diese Person zu fassen.«
    »Richtig«, gab Pekkala zu.
    »Ich würde gern wissen, wie Sie es fertiggebracht haben, vor mir am Tatort zu sein, Inspektor.«
    »Als wir uns auf den Weg gemacht haben«, erwiderte Pekkala, »war das Verbrechen noch gar nicht geschehen. Aber nachdem Sie jetzt hier sind, Kommissarin Lysenkowa, bin ich um jede Hilfe dankbar, die wir von Ihnen bekommen können.«
    Sie blinzelte ihn mit ihren grünen Augen an. »Ihnen scheint nicht ganz klar zu sein, Inspektor, wer bei diesen Ermittlungen das Sagen hat. Diese Anlage steht unter der Aufsicht des NKWD.«
    »Wie Sie meinen«, sagte Pekkala. »Was soll ich Ihrer Meinung nach tun?«
    »Ich werde den Leichnam von Oberst Nagorski untersuchen«, erwiderte Lysenkowa. »Mal sehen, ob sich die Todesursache feststellen lässt. Daneben werde ich die Hauptstraße patrouillieren lassen, falls der Flüchtende es bis dorthin schaffen sollte.«
    »Was ist mit Nagorskis Familie?«, fragte Pekkala.
    »Seine Frau und sein Sohn wohnen auf dem Gelände«, sagte Maximow.
    »Wissen sie es schon?«, fragte Lysenkowa.
    »Noch nicht«, erwiderte der Leibwächter. »Das Haus hat kein Telefon, und seit dem Unfall war niemand dort.«
    »Ich werde sie darüber in Kenntnis setzen«, sagte Pekkala und fragte sich noch im selben Moment, woher er die dafür nötigen Worte finden wollte. Er hatte sonst immer nur mit den Toten und jenen zu tun, die sie getötet hatten, aber nicht mit denen, die nach einer solchen Katastrophe mit dem Leben weitermachen mussten.
    Lysenkowa schien kurz darüber nachzudenken. »Gut«, sagte sie schließlich. »Melden Sie sich bei mir, wenn Sie damit fertig sind. Davor aber …«, und mit einem Nicken wies sie auf Samarin, »… können Sie den da beerdigen.«
    »Hier?« Kirow starrte sie an. »Jetzt?«
    »Wir befinden uns auf einem Geheimgelände«, antwortete sie. »Alles, was hier geschieht, ist vertraulich, dazu gehört auch, wer hier arbeitet und das Pech hat, hier zu sterben. Haben Sie schon mal was vom Weißmeer-Ostsee-Kanal gehört, Major?«
    »Natürlich«, antwortete Kirow.
    Der Kanal, der das Weißmeer mit der Ostsee verband, eine Strecke von über zweihundert Kilometern, war Anfang der dreißiger Jahre fast ausschließlich von politischen Häftlingen mit primitivsten Werkzeugen und unter klimatisch härtesten Bedingungen gebaut worden. Tausende waren dabei ums Leben gekommen. Letztlich erwies sich der Kanal aber als viel zu flach, um wirtschaftlich irgendeine Bedeutung zu haben.
    »Wissen Sie, was mit den Gefangenen geschehen ist, die bei diesem Projekt gestorben sind?« Ohne auf die Antwort zu warten, fuhr Lysenkowa fort: »Ihre Leichen wurden in den nassen Beton geworfen, mit dem die Kanalwände verkleidet wurden. So geht man in diesem Land mit Geheimnissen um, Major. Man verscharrt sie. Also schaffen Sie ihn unter die Erde.«
    »Wo?«, fragte Kirow, der das alles immer noch nicht fassen konnte.
    »Meinetwegen gleich hier an der Straße«, blaffte Lysenkowa. »Wo, spielt keine Rolle, aber erledigen Sie es sofort.« Damit machte sie auf dem Absatz kehrt und marschierte davon.
    »Die Gerüchte, die man über sie so hört, scheinen zu stimmen«, sagte Kirow und sah ihr hinterher, während sie zum Laster zurückging.
    Maximow wandte den Kopf zur Seite und spuckte aus.
    »Warum haben Sie nicht Ihren Rang geltend gemacht, Inspektor?«, fragte Kirow.
    »Ich habe ein ungutes Gefühl«, erwiderte Pekkala. »Ihre Anwesenheit bedeutet, dass hier mehr vor sich geht, als uns bewusst ist. Wir sollten erst mal abwarten, wohin das alles führt.« Er wandte sich an Maximow. »Können Sie mich zu Nagorskis Frau bringen?«
    Maximow nickte. »Erst begraben wir Samarin, dann bring ich Sie hin.«
    Die drei Männer trugen den Toten ein Stück in den Wald hinein. Da sie keine Schaufel hatten, hoben sie mit den bloßen Händen in der weichen, dunklen Erde ein Grab aus. Bereits eine halbe Armeslänge unter der Oberfläche füllte sich die Grube mit schwarzem Wasser, das aus dem torfigen Untergrund sickerte. Es blieb ihnen nichts anderes übrig, als Samarin mit über der Brust verschränkten Armen

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