Der rote Würfel
Taschen der Männer hole ich mir Munition für beide Waffen. Ich deute auf Joel, der sich nach wie vor noch daran gewöhnen muß, Vampir zu sein. Er starrt im Inneren des Wagens umher, als sei er total weggetreten. »Zieh eine dieser Westen an«, sage ich ihm.
»Muß denn geschossen werden?« fragt er.
»Es wird jede Menge geschossen werden.« Ich wende mich Lenny zu. »Wieviel schafft der Wagen?«
»Hundertzwanzig in der Stunde.«
Ich stöhne. »Ich brauche ein Polizeiauto.«
»Jede Menge da: vor uns und hinter uns«, meint Lenny.
Ich schaue auf den Hubschrauber am Himmel. »Die hängen ziemlich dicht über dem Boden.«
»Sie sind schwer bewaffnet«, meint Lenny. »Die lassen euch nicht entkommen.«
Ich klettere neben ihn nach vorne und schiebe die Männer beiseite. Die Schutzweste ist mir ein bißchen zu groß. »Sie meinen, ich sollte mich ergeben?«
»Ja.« Schnell fügt er hinzu: »Das ist bloß meine Meinung.«
»Wenn Sie das hier überleben wollen, befolgen Sie nur meine Befehle«, entgegne ich ihm. Ich schaue mir die Wagen vor und hinter uns an. Es sind insgesamt sechzehn, und in jedem sitzen jeweils zwei Beamte. Dann gibt es noch mindestens drei Zivilfahrzeuge mit FBI-Agenten. Noch immer bin ich überrascht darüber, wie schnell sie Joel verhaftet haben. Sie haben ihn kaum zu Wort kommen lassen. Ich ziehe ihn zu mir. »Komm her. Wir wechseln jetzt gleich die Fahrzeuge.«
Joel streckt den Kopf zu mir vor. Die Weste hat er sich übergezogen. »Der Hubschrauber ist ein Problem«, meint er. »Egal, wie gut du fährst oder wie viele Bullenautos du ausschaltest: Der bleibt immer bei uns und strahlt uns voll an.«
»Mag sein. Schnall dich an.« Ich stemme einen Fuß gegen das Armaturenbrett und deute auf eine kleine Seitenstraße, der wir uns nähern. »An der Stelle, Lenny, biegst du scharf links ab. Vollgas, sobald wir drin sind.«
Lenny steht der Schweiß auf der Stirn. »Okay.«
Ich reiche Joel Lennys Revolver. »Halt mir den Rücken frei.« Ich halte inne und fasse ihn genauer ins Auge. »Du bist doch auf meiner Seite, oder?«
Joel zögert. »Ich werde niemanden umbringen.«
»Wirst du versuchen, mich umzubringen?«
»Nein.«
Ich gebe ihm den Revolver. »In Ordnung.« Die Seitenstraße kommt näher. »Mach dich fertig, Lenny. Keine Tricks. Bring einfach so viel Abstand zwischen die und uns wie möglich.«
Lenny schert nach links aus. Das Sträßchen ist eng; unser Wagen jagt mit hoher Geschwindigkeit hindurch. Mülltonnen und irgendwelche Kisten fliegen um. Die Reaktion der Bullen folgt postwendend. Die Hälfte ihrer Autos klemmt sich hinter uns. Aber die Hälfte ist schon mal besser als alle, und außerdem können sie, eingepfercht, wie sie hier sind, nicht so ganz einfach auf uns losballern.
Leider führt unser Gäßchen über mehrere Straßen hinweg. Zum Glück ist es Mitternacht, und es herrscht kaum Verkehr. An der ersten Kreuzung haben wir Schwein. Doch zwei Polizeiwagen bleiben bei einem Zusammenstoß auf der Strecke. Auch an der zweiten Kreuzung kommen wir davon. Auf der dritten knallen wir seitlich auf das einzige Auto weit und breit, einen offenen Lieferwagen mit Orangen auf der Ladefläche. Die Früchte purzeln über unseren Wagen. Lenny ist mit dem Kopf gegen das Lenkrad gestoßen und scheint benommen. Er kriegt noch einen Schlag auf den Kopf, als ein Einsatzwagen von hinten auf uns auffährt. Das ist es, was ich wollte: eine Karambolage.
»Komm schon!« rufe ich Joel zu.
Ich springe aus dem Wagen, hebe die Maschinenpistole an und feuere eine Salve auf die Autos hinter uns. Sie sind eingeklemmt, aber bald werden sich reihenweise andere Autos an unsere Fersen heften. Über uns stößt der Hubschrauber gefährlich nahe herunter. Der Scheinwerfer ist im Moment genau auf mich gerichtet. Durch das grelle Licht hindurch erkenne ich einen Scharfschützen, der an der geöffneten Tür steht und ein Präzisionsgewehr anlegt. Ich richte die Schrotflinte auf ihn, drücke den Abzug und pumpe die Ladung in ihn hinein. Dem Mann fliegt die Schädeldecke weg. Leblos stürzt er auf das Dach eines nahegelegenen Gebäudes.
Fertig bin ich noch nicht.
Mein nächster Schuß zerstört den Scheinwerfer. Der dritte trifft den kleinen vertikalen Rotor hinten. Das Rotorblatt stottert, dreht sich jedoch weiter. Noch einmal jage ich eine Ladung hinein, und dieses Mal gibt der Propeller seinen Geist auf. Der vertikale Rotor verhindert Rumpfdrehungen und sorgt außerdem für Ruderkontrolle. Mit anderen Worten: Er stabilisiert den
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