Der Rubin der Oger
aber am Boden zeigte sich keine Regung. Danach kreisten sie um eine Lichtung, die von einem schmalen Bachlauf durchzogen wurde. Mogda hörte das Plätschern des Wassers und roch den Duft des Waldes. Er war froh, wieder dicht in Bodennähe zu sein, und hoffte, dass seine unbequeme Reise hier endlich ein Ende haben würde. Immer noch fragte er sich, wie der Drache, mit ihm in einer Klaue hängend, landen wollte. Doch dann schweiften seine Gedanken zu der Frage ab, ob er Barrasch lieber mit einem Knüppel malträtieren sollte, während er den Kopf des Hauptmanns unter Wasser drückte, oder ob es effektiver wäre, ihn an einen Baum zu hängen und ihm die Haut in Streifen herunterzuschneiden. Wie kam dieser altersschwache Kämpfer nur auf die Idee, einen Oger niederzuschlagen, ihn dabei aber am Leben zu lassen und in seiner Nähe zu bleiben? Jeder andere hätte sich aus dem Staub gemacht und gehofft, genügend Abstand zu haben, wenn der Oger wieder erwachte.
Mogdas Überlegungen brachen jäh ab, als er merkte, dass der Drache die Umklammerung seiner Beine löste und er kopfüber zu Boden stürzte. Zumindest hatte sich der Drache Mühe gegeben, den kleinen Bachlauf zu treffen. Mogda bezweifelte jedoch, dass das knapp zwei Schritt breite Rinnsaal tief genug war, den Sturz abzufangen. Als Mogda mit dem Kopf zuerst ins Wasser tauchte, war er froh, eines Besseren belehrt zu werden. Vollkommen durchnässt, aber mit heilen Knochen kroch er die Böschung hoch an Land. Sein Blick durchforstete den Himmel über sich. Sein schwarzer Begleiter setzte gerade zur Landung an, und Mogda stellte beruhigt fest, dass der andere über der Lichtung kreiste und ebenfalls langsam in den Sinkflug ging. Er freute sich, Cindiel und Finnegan unverletzt zu sehen; und darauf, dass sich Barraschs Zustand nach der Landung enorm verschlechtern würde. Die beiden Drachen setzten nacheinander behutsam auf der Lichtung auf. Etwas steif, ansonsten jedoch unbeschadet, kletterten die drei Menschen aus der mächtigen Pranke des Drachen. Mogda verlor keine Zeit. Triefnass und mit wütender Miene stampfte er auf Barrasch zu. Der Hauptmann war gerade damit beschäftigt, seine Gliedmaßen zu lockern, als Mogda von hinten an ihn herantrat, ihn kurz unterhalb des Knies packte und verkehrt herum vor seiner Brust baumeln ließ. Mit wildem Blick suchte der Oger nach einem geeigneten Baum, um den Hauptmann erst ein paar Mal dagegenzuschleudern. Nur so, um in Stimmung zu kommen.
»Lass ihn sofort wieder runter, Mogda!«, schrie Cindiel. Finnegan hatte seine Hand auf den Schwertgriff gelegt. Mogda war es unverständlich, was diese Geste bedeuten sollte, außer der junge Mann wollte das Schicksal seines Hauptmanns unbedingt teilen.
»Keine Angst, Prinzessin, das werde ich tun. Hier ein bisschen, dort ein bisschen, und vielleicht werde ich mir aus seinen Füßen ein paar schöne Ohrringe basteln. Schau mal, das würde mir bestimmt prima stehen, findest du nicht?«
Mogda hielt Barrasch mit einer Hand unter seine langen Ohrläppchen.
»Lass ihn runter, habe ich gesagt!«, wiederholte Cindiel im Befehlston. »Er kann nichts für das, was er getan hat.«
Mogda legte den Kopf schräg.
»Moment mal. Das war meine Ausrede, wenn ich das Vieh von den Weiden der Menschen gestohlen habe.« Der Oger schüttelte den Kopf. »Und schon damals hat sie nichts getaugt.«
»Es stimmt«, sagte eine dumpfe, nachhallende Stimme in Mogdas Kopf. »Wir haben ihn dazu gezwungen, damit du dich nicht selbst oder jemand anderen verletzt. LASS IHN RUNTER!«
Die letzten Worte dröhnten so stark in seinem Kopf, dass Mogda dachte, sein Schädel würde platzen. Er ließ Barrasch zu Boden fallen und rieb sich die Schläfen.
»Tut das nie wieder!«, brüllte Mogda den Drachen an. »Sonst werden eurer Rasse langsam die Farben ausgehen.«
Er wrang seine Kleidung aus und stapfte von der Lichtung in Richtung Turmstein.
28
Ein schnelles Spiel
Lord Felton hatte seit seiner gestrigen Rückkehr aus Sandleg das Arbeitszimmer nicht mehr verlassen. Vor ihm ausgebreitet lag die Landkarte von Nelbor. Mit kleinen Markierungen kennzeichnete er die Orte, die seine Späher ihm als verloren gemeldet hatten. Noch waren nicht alle Kundschafter zurückgekehrt, aber er wusste, dass die noch ausstehenden Meldungen ihm auch keinen Grund zum Jubeln geben würden.
Der König war tot, und das Land wurde von einem fremden Feind angegriffen, dessen Stärke und Absichten man nicht einschätzen konnte. Das friedliche
Weitere Kostenlose Bücher