Der Rubin der Oger
anfangen, die ersten Dörfer im Norden zu plündern, sobald die Wüste überschwemmt ist. Und genauso machen wir es.«
»Du verkennst vielleicht den Ernst der Lage«, zischte Sabriel.
Nokrat baute sich vor dem Elfen auf und überragte ihn um fast eine Körperlänge. Dennoch wich Sabriel keinen Schritt zurück.
»Nein«, brüllte der Troll, »du verkennst unsere Intelligenz. Glaubst du vielleicht, wir hätten nicht gesehen, wie die schwarzen Dämonen im Süden des Waldes gelandet sind?«
»Welche schwarzen Dämonen?«
»Die Drachen, Elf. Die Drachen. Es ist erst einen halben Tag her, da sind sie über die Wipfel der Bäume gejagt und haben ihren heißen Odem versprüht. Es sollte mich wundern, wenn nicht viele deines Volkes dabei ihr Leben gelassen haben. Willst du mir weismachen, dass du das nicht gewusst hast?«
In Sabriels Kopf überschlugen sich die Gedanken. Mit Drachen hatte er nicht gerechnet. Das erschwerte sein Vorhaben. Doch nach einem Moment des Überlegens gefiel ihm die Vorstellung, zwei dieser übermächtigen Wesen zwischen sich und dem Stein zu wissen. Den zeitlichen Vorsprung, den die anderen hatten, konnte er dadurch wettmachen. Es musste ihm nur gelingen, alle dunklen Elfen zusammenzurufen und für den Kampf zu gewinnen.
»Nokrat, hör mir zu. Du sollst deine Belohnung erhalten und noch viel mehr. Geh zurück zu deinen Leuten. Aber auf dem Weg dorthin besuchst du den Wanderer. Du findest ihn südlich von hier am Baum Mystraloon. Berichte ihm von den Drachen. Sag ihm, dass sie versuchen werden, den Stein über die Grenzen des Landes zu schaffen. Er soll alle Angehörigen meines Volkes schicken, um das zu verhindern.«
Nokrat kniff die Augen eng zusammen. »Ich werde ihm sagen, dass du diese Anweisung gegeben hast. Aber wenn das ein Trick ist, wirst du dafür büßen.«
»Glaub, was du willst. Bedenke dabei nur, dass die großzügige Belohnung dann an mich fallen wird. Ich kann zwar mit Gold und Geschmeide nicht viel anfangen, aber ich werde sie jemandem geben, der weniger argwöhnisch mir gegenüber ist.«
Sabriel war überzeugt, dass sein Angebot die Raffgier des Trolls geweckt hatte. Wenn er sich auf eines verlassen konnte, dann war es die Habgier der Kreaturen Tabals.
Er schaute Nokrat so lange hinterher, bis dieser zwischen dem Geäst verschwunden war. Der Troll hatte vorhin unbeabsichtigt in die Richtung gezeigt, in welcher er die Drachen am Himmel gesehen hatte. Das musste reichen, um die gigantischen Wesen ausfindig zu machen.
Sabriel folgte Nokrats Fingerzeig. Er schlich entlang des Bachlaufs Richtung Südwesten. Die Nähe des Wassers weckte in ihm ein Gefühl der Geborgenheit. Er war stets darauf bedacht, genau zu wissen, wo ihm die nächste Quelle zur Verfügung stand. Sein ganzes früheres Leben war durch die Natur bestimmt worden. Kräuter, Sträucher und Bäume waren untrennbar verknüpft mit dem Leben der Elfen. Jedem wurde bei der Geburt ein Baum zugewiesen, für den er bis zum Verlassen seines Körpers verantwortlich war. Es war die Pflicht eines jeden Elfen, alle Pflanzen des Waldes zu kennen und ihr mehr oder weniger langes Leben zu behüten.
Doch auch diese Verpflichtung war durch die Verbundenheit zum Wasser abgelöst worden. Sabriel erhöhte seine Geschwindigkeit. Er wollte nicht, dass ihm jemand zuvorkam. Es musste ihm gelingen, einen Vorsprung herauszuarbeiten und einen Hinweis auf den Verbleib des Steins zu finden.
Sein elfisches Wesen erlaubte es ihm immer noch, keine Spuren beim Durchqueren des Waldes zu hinterlassen. Immer rascher wurde sein Vorstoß in das Zentrum des Forstes, bis ...
... bis er plötzlich anhielt.
Unbehagen machte sich in ihm breit. Ein beißender Geruch drang in seine Nase und fraß sich allmählich in die kiemenartigen Einschnitte unterhalb der spitzen Ohren. Die Feuchtigkeit in den Poren seiner Haut vermischte sich mit dem ätzenden Geruch in der Luft und erzeugte ein brennendes Gefühl.
Sabriels Sinne waren hellwach und geschärft. Er kannte die Gefahren, die ihm wirklichen Schaden zufügen konnten, Verletzungen, die selbst das Wasser nicht zu heilen vermochte. Sorgfältig suchte er die Umgebung ab.
Nicht weit vor ihm, an der gegenüberliegenden Uferböschung, schien ein Teil der Vegetation dahinzusiechen. Bräunliche Strünke erhoben sich aus einer grüngelblichen Masse von Blättern und Gräsern. Zähflüssige Blasen lösten sich aus dem schleimigen Wasser und zerplatzten an der Oberfläche. Sie hinterließen einen dünnen Faden
Weitere Kostenlose Bücher