Der Rubin der Oger
ihr mir weniger unheimlich. Ist er irgendwie krank?«
Noch bevor Barrasch den Alten erneut ermahnen konnte, griff Mogda beherzt zu und riss dem Bauern die Forke aus der Hand. Den Schaft am oberen Ende gepackt, brach er die vergabelte Spitze durch den Druck seines Daumens einfach ab. Das Ende ließ er durch die Finger gleiten und holte zum Schlag aus. Der Rädelsführer und seine Anhänger waren zu überrascht, um noch rechtzeitig zu reagieren. Der Stiel traf den Alten seitlich am Knie, und sein Bein knickte weg. Ein zweiter Schlag mit der Rückhand traf ihn in die Magengrube und ließ ihn zu Boden gehen. Mit schmerzverzerrtem Gesicht krümmte er sich auf der Erde.
»Du hast einen schlechten Zeitpunkt erwischt«, brüllte Mogda. »Ich habe euren Spott satt. Wenn es euch nicht gefällt, wie ich bin, dann zeige ich euch eine Seite von mir, die bis jetzt nur das Vieh auf den Weiden kannte.«
Die Begleiter des Alten traten zwei Schritt zurück, mit sich im Unreinen, ob sie ihren Kollegen liegen lassen oder ihm helfen sollten. Mogda packte den Alten am Hosenbund und zog ihn in die Höhe.
»Es sind nicht die Elfen, die euer Land heimsuchen, es sind ... Ach, warum vergeude ich bloß meine Zeit mit euch dummen Bauern? Ihr begreift es ohnehin nicht. Wenn es darauf ankommt, hockt ihr hinter einem Felsen und hofft, dass euch jemand zu Hilfe eilt.«
»Lass ihn sofort los!«, schrie Cindiel aufgebracht und drängte sich zwischen den Mob und Mogda. »Hast du nicht gehört? Sie haben den König getötet. König Wigold, verstehst du? Der König Wigold, dem wir unser Leben verdanken. Er war es, der uns aus dem Labyrinth der Nesselschrecken befreit hat. Ihm haben wir alles zu verdanken.«
Mogda ließ den Bauern zu Boden fallen.
»Das habe ich durchaus begriffen, Cindiel. Aber unserem Volk, dem Volk der Oger, verdankst du und verdanken auch all die anderen der Deinen ihr Leben. Du hast es selbst gesehen: Alles wurde überflutet, und wer weiß, wie viele meines Volkes dabei umgekommen sind. Hast du je daran gedacht? Zum Dank und aus Mitgefühl hatten deine Nachbarn beschlossen, mich von meinem Leid zu befreien, indem sie mich am nächsten Baum aufknüpfen wollten.«
Mogda schleuderte den Stiel der Forke weit von sich und trat mit dem Fuß in die lockere Erde. Der lehmige Boden spritzte hoch und ergoss sich über die verängstigte Landbevölkerung. Eilig fassten sie ihren Anführer unter den Achseln und nahmen mit ihm Reißaus.
»Genau, tut das, was ihr immer tut – lauft einfach davon und verkriecht euch.«
Mogda hob sein Bündel auf und stapfte quer über den Acker Richtung Turmstein. Cindiel, Barrasch und Finnegan blieben stumm zurück.
31
Elf und Troll
Der Elf mit der schwarzen Haut kniete bis zum Bauch im langsam dahinfließenden Waldbach. Er brauchte das Wasser mehr denn je. Jedes Leben war von dem flüssigen Element abhängig, doch seit jenem schicksalsträchtigen Tag, an dem die Flotte der Elfen in die Tiefe des Meeres gerissen worden war, verband sie noch mehr mit dem Wasser. Dennoch war es eher Fluch denn Segen. Illistanteè hatte sie zu Sklaven seiner selbst und des Wassers gemacht. Ohne ihn und ohne Wasser war nicht nur ihre körperliche Existenz, sondern auch ihre unsterbliche Seele verloren. Von den erhabenen Geschöpfen, die sie früher einmal gewesen waren, war nichts mehr geblieben. Bei allen anderen Kreaturen waren sie verhasst. Alles, was dem Elfen noch von früher in Erinnerung war, war sein Name; ein Name, den er schon seit Jahren nicht mehr laut ausgesprochen gehört hatte – Sabriel-e-Chin.
Sabriel hatte diesen Ort nicht zufällig gewählt. Er diente ihm nicht nur zur Erholung, sondern war so etwas wie ein geheimer Treffpunkt.
Als Illistanteè das Volk der Elfen nach seinen Wünschen formte, gab es wenig Zuspruch aus den Reihen der Nesselschrecken. Sie befürchteten, dadurch weniger Zuneigung ihres Herrn zu erfahren. Doch im Laufe der Jahre erkannten sie, dass die neue Rasse Fähigkeiten besaß, die sie sich zu Nutze machen konnten. Einzelne Elfen hatten es geschafft, Zauberkräfte aus ihrem alten Leben mit ins neue zu retten. Sie waren in der Lage, mit Pflanzen zu sprechen, sich uneingeschränkt in der Dunkelheit zurechtzufinden und das Vertrauen von Kreaturen zu gewinnen, die normalerweise ihre ärgsten Feinde waren. Am außergewöhnlichsten aber war die Tatsache, dass sie sich innerhalb eines Augenblicks von einem Fleck der Welt zum anderen bewegen konnten. Diese Hand voll Elfen hielten sich die
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