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Der Rubin der Oger

Der Rubin der Oger

Titel: Der Rubin der Oger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephan Russbuelt
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Säuredampf, der sich schnell zum Himmel emporschraubte und mit der leichten Brise vermischte.
    Etwas weiter flussabwärts entdeckte Sabriel ähnlich verätzte Stellen am Wasser. Etwas, das aussah wie ein abgetrenntes Bein, hing seitlich der Böschung im Wasser.
    Sabriel blickte nach oben und erkannte die eindeutigen Spuren des Drachenodems, der sich seinen Weg vom Himmel herab bis zur Erde gefressen hatte. Die Bäume, die ihm im Weg gestanden hatten, waren weitgehend von Ästen befreit. Nur der Stamm und einige dickere Äste hatten sich der Säure erwehren können. In einer der übrig gebliebenen Astgabeln hingen – kaum noch zu erkennen – die Überreste einer seiner Schwestern oder Brüder. Die Säure des Odems hatte vor nichts Halt gemacht. Sie zersetzte Bäume, Steine, Fleisch und Knochen genauso wie Metall. Sabriel erinnerte sich, dass der Hauch eines schwarzen Drachen sogar imstande war, Gold zu schmelzen.
    Sabriel machte von seinem Talent, durch Magie reisen zu können, Gebrauch. Er musste keine weiten Strecken zurücklegen. Es genügte ihm, von einer Deckung zur nächsten zu gelangen. Die Gesetze des Zaubers waren einfach: Die Beständigkeit obsiegte. Das widerstandsfähigste Material setzte sich durch und nahm den Platz des unbeständigeren ein. Fleisch wurde zu Stein, aber ein Blatt wurde zu Fleisch. Es ist wie im Leben , dachte Sabriel, das Stärkere herrscht über das Schwächere.
    Er wirkte den Zauber, während er sein Ziel genau beobachtete und mit einer Hand eine alte elfische Rune in die Luft zeichnete. Im Bruchteil eines Augenblicks verschwand er von der Uferböschung und tauchte zwanzig Schritt weiter neben dem Stamm einer alten Eiche wieder auf.
    Sabriel hatte längst aufgehört, sich zu fragen, woher die Zaubertalente stammten, die ihn von den anderen seiner Rasse unterschieden. Für ihn war es nur wichtig zu wissen, wie man sie dazu nutzen konnte, aus dem Bann seiner Herren zu kommen. Dafür war ihm jedes Mittel recht.
    Mit zwei weiteren Zaubern gelangte er an den Rand einer Lichtung. Inmitten zahlreicher Baumstämme, die dort zum Trocknen und späteren Abtransport gelagert worden waren, kauerte eine riesenhafte schwarze Echse. Die beiden Hinterbeine hatte sie angewinkelt, und zum Sprung bereit hockte sie über den Stämmen. Der Drache hatte seinen langen Hals gestreckt und witterte mit den Nüstern in alle Himmelsrichtungen, während er von Zeit zu Zeit mit seiner langen, schwarz verfärbten Zunge seine Wunden leckte. Gegen das Licht erkannte Sabriel die von Pfeilen durchbohrten Flügel und eine breite Bisswunde an einem seiner Hinterläufe. Er kannte die Drachen und wusste, dass ihnen derartige Wunden nichts anhaben konnten. Sicherlich würden die Verletzungen das unheimliche Geschöpf nicht daran hindern, sich bei Gefahr in die Lüfte zu erheben und seine Feinde mit seinem Odem niederzustrecken.
    Ein alter, schwarzer Drache im Landesinneren von Nelbor und ein verschwundenes Artefakt, das konnte kein Zufall sein. Der Drache war gewiss nicht im Besitz des Steins, sonst hätte er ihn schon längst außer Landes gebracht, fern von allen Gefahren. Seit Anbeginn der Zeiten waren die Drachen darauf bedacht, das Gleichgewicht der Götter zu wahren. Ihre Aufgabe war noch nicht erfüllt. Dieser hier wartete auf etwas oder jemanden.
    Sabriel musste herausfinden, was der Drache wusste. Seine Fähigkeiten gestatteten es ihm jedoch nicht, auf diese Entfernung die Gedanken eines Wesens von so großer Macht zu lesen. Um das zu vollbringen, musste der Drache im Sterben liegen, und sein Wille musste gebrochen sein.
    Der Elf strich mit der Hand über sein halb zerrissenes Gewand und ließ seine Finger in einer aufgenähten Seitentasche verschwinden. Nach kurzem Suchen brachte er eine ovale, mit Seepocken verkrustete Muschel zum Vorschein. Vorsichtig führte Sabriel sie an den Mund und blies hinein. Der Ton, den die Muschel erzeugte, ging in den anderen Geräuschen unter. Er war wie ein unterschwelliges Rauschen, das nur jene wahrnehmen konnten, die daran gewöhnt waren, es im Wasser zu hören. Sabriel wartete ab. Er wusste, dass jeder seines Volkes, der diese Nachricht erhalten hatte, kommen würde – und es würden viele sein.
    Einige Stunden später lag der Drache immer noch auf der Lichtung und hob in kurzen Abständen den Kopf, um Witterung aufzunehmen. Er schien nicht zu merken, wie sich um ihn herum eine immer größer werdende Gefahr zusammenbraute.
    Sabriels Anspannung wuchs. Er spürte, wie sich

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