Der Rubin der Oger
mit Euch passiert. Glaubt ja nicht, dass Ihr mit einer einfachen Rüge davonkommt. Ihr könnt froh sein, wenn Ihr Osberg jemals wiederseht. Führt sie ab!«
Mogda konnte nicht zulassen, dass die drei verhaftet wurden. Ohne ihre Hilfe würde er niemals herausfinden, wo die Elfen gefangen gehalten wurden. Er hoffte, dass Barrasch und Finnegan auf einen Überraschungsangriff vorbereitet waren. Wenn es nur drei Stadtwachen waren, käme er allein klar. Bei fünf oder gar sechs war er jedoch auf die Unterstützung der beiden angewiesen. Überraschung und Verwirrung waren der halbe Sieg. Mit martialischem Gebrüll richtete sich Mogda unter dem Heuhaufen auf. Er versuchte, so viel getrocknetes Gras wie möglich in die Luft zu schleudern, um seine Gegner abzulenken. Als er vom Wagen sprang und all die brennenden Fackeln um sich herum sah, wusste er, dass er einen Fehler begangen hatte. Er landete in einem Pulk von sechs schwer gerüsteten Soldaten, die ihre Schwerter blank gezogen hatten und Barrasch, Finnegan und Cindiel bedrohten. Im hinteren Teil der Gasse, auf den Balkonen und an den Fenstern zum Innenhof waren Armbrustschützen postiert. Mit ausgebreiteten Armen riss Mogda drei Soldaten zu Boden. Die anderen wichen entsetzt zurück. Doch die Übermacht war zu groß. Jetzt kam es nur noch darauf an, niemanden zu töten und selbst nicht getötet zu werden. Wenn nur einer der Soldaten umkam, würden sie alle zum Tode verurteilt werden, und diesmal zu Recht. Mogda rollte sich ab und prallte gegen eine Hausmauer.
»Erledigt das Monster!«, schrie Losan.
Die mit Schwertern bewaffneten Wachen reagierten nur zögerlich. Die Armbrustschützen waren nicht so zimperlich. Schnell hatten sie in dem allgemeinen Durcheinander ihr Ziel erfasst. Die Schützen warteten nur darauf, dass sich die Wachen im Innenhof aus ihrem Schussfeld bewegten. Noch während Mogda am Boden kauerte, begann es Grashalme zu regnen. Ein Großteil des Heus, den er aufgewirbelt hatte, war nass und gleich wieder zu Boden gefallen. Die trockenen Halme jedoch sanken langsam wie Schnee zu Boden. Die Fackeln der Wachen entflammten das trockene Grass wie Zunder. Plötzlich tanzten überall im Innenhof brennende Halme durch die Luft. Die Wachen hatten alle Hände voll damit zu tun, Haare und Kleidung vor dem glühenden Funkenregen zu schützen.
Fasziniert beobachtete Mogda das Schauspiel. Sein Blick fiel mehr zufällig auf Cindiel. Sie stand im Innenhof, mit hoch erhobenen Armen, den Rücken gegen einen Hauswand gepresst. Ihre Lippen bewegten sich, und mit den Fingern schien sie die glühenden Funken zum Tanz aufzufordern. Und tatsächlich bewegte sich der Funkenregen wie von einem magischen Wind geleitet. Sobald ein Soldat glaubte, sich in Sicherheit gebracht zu haben, jagten die glühenden Teilchen hinter ihm her. Schließlich entzündete sich der Rest des Heus auf dem alten Kutschwagen. Nun erwachten auch die Esel aus ihrer Lethargie und versuchten, dem Feuerregen zu entgehen. Sie schlugen nach hinten aus und stürmten los, den brennenden Heuwagen hinter sich herziehend. Die Soldaten konnten sich nur mit einem Sprung zur Seite retten. Als der Wagen die enge Gasse hinunter raste und auf die Prachtallee einbog, war der Zauber vorbei.
»Legt euch auf den Boden!«, brüllte Losan seine Gefangenen an. »Wir werden jeden töten, der es wagt, sich zu bewegen.«
Die Armbrustschützen waren bereit, seine Drohung wahr zu machen. Gefügig rollte sich Mogda auf den Bauch.
»Legt dem Oger den Eisenkragen an!«, befahl Losan zweien seiner Männer.
»Die anderen beiden werden gefesselt. Wo ist die junge Frau? Wo ist sie hin?«, schrie er. »Sucht sie!«
Mogda hörte, wie einige der Wachsoldaten die Gasse hinunterliefen.
»Ihr findet sie doch nicht«, flüsterte er zufrieden.
34
Myrel
Myrel spielte in der Scheune ihrer Eltern. Das sechsjährige Mädchen mit den blonden Zöpfen und dem blauen Kleid hockte auf der Erde und tanzte mit ihrer Strohpuppe um zwei aufeinander gestellte Steine herum. Geschickt führte sie den Arm der Puppe und focht mit einem geschnitzten Holzschwert gegen die Steine.
»Hier, du dickes Monster!«, rief sie verzückt. »Nimm dies! Und das! Ich bin Myrel, die größte Schwertkämpferin von ganz Nelbor.«
Myrels Eltern hatten bereits am Vortag die beiden Kühe aus den Ställen genommen, die vier Schafe von der Weide geholt und an ihren Wagen gebunden. Die beiden Esel hatten sie gestern noch verkaufen können, genau wie den alten Karren. Sie waren
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