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Der Rubin der Oger

Der Rubin der Oger

Titel: Der Rubin der Oger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephan Russbuelt
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Boden erreichten.
    »Glimdibur, wie du siehst, trage ich einen Nachtrock, also sollten wir das offizielle Geplänkel beiseite lassen und gleich zum Thema kommen. Was führt dich zu mir?«
    König Braktobil trug tatsächlich ein schweres dunkelblaues Nachtgewand, und seine Zöpfe, wie auch der Bart, waren mit farblich abgestimmten Bändern fixiert. Es war ein Anblick, der seine Feinde in lautes Gelächter hätte ausbrechen lassen.
    Glimdibur schnürte eilig das Paket von seinem Gürtel und öffnete es, dann reckte er es dem König entgegen.
    »Ich habe ihn in den Marmorminen am Drachenhorst gefunden. Leider kam es dabei zu einer Auseinandersetzung mit einem Oger. Der Oger ist tot, aber es war ein Unfall. Er hat sich nicht an meine Anweisungen gehalten und die falsche Stütze weggeschlagen.«
    Der König sagte nichts, er starrte nur auf den Rubin. In seinen Augen spiegelte sich das Verlangen danach wider.
    »Hast du dies alles den Ogern erklärt und die genauen Umstände des Unfalls vorgetragen?«, fragte Ugomasch.
    »Nein, ich bin geflüchtet. Ich wollte zuerst meinen rechtmäßigen Besitz in Sicherheit bringen«, erklärte Glimdibur, der dem Blick seines Bruders auswich, da er ihn Lügen strafte.
    »Bruder, verzeih mir, aber vielleicht wäre es besser, wenn wir erst einmal eine Nacht darüber schlafen und morgen eine Entscheidung treffen. Wir hatten hier allerhand Probleme, während du im Drachenhorst warst, zwei Schächte sind eingestürzt, weil sich eine Bimssteinader gelöst hatte, und im Arbeiterviertel kam es zu Vergiftungserscheinungen beim Verzehr von Steinkartoffeln. Der König muss sich zuerst ausruhen, aber wir werden gleich morgen früh nach dir schicken lassen. Bitte entschuldige uns.«
    Der König hatte kein einziges Wort mehr gesprochen, er hatte sich einfach umgedreht und war in seinem Zimmer verschwunden. Glimdibur war verwirrt und enttäuscht. Was für eine Entscheidung wollten sie treffen? Die Besitzrechte waren doch klar.
    Auf dem Weg zu der Unterkunft gingen ihm die Worte seines Bruders immer wieder durch den Kopf. Vielleicht wäre es richtig gewesen, ihnen von dem Troll zu erzählen, der sich anscheinend auch mit einer Steinkartoffel vergiftete hatte? Aber das hätte zu sehr von seinem eigentlichen Anliegen abgelenkt. Morgen wäre immer noch genug Zeit dafür. Die anstrengende Reise und die Aufregung ließen Glimdibur vor Erschöpfung voll bekleidet einschlafen, als er endlich sein Bett erreichte. Den Stein hielt er fest umklammert in seinen Händen.
    Es war mitten in der Nacht, als Glimdibur erwachte. Seine Finger hatten sich verkrampft, und seine Knöchel schmerzten. Irgendetwas hatte ihn geweckt, nur wusste er nicht, was es war. Er spürte einen Lufthauch und hatte das unbestimmte Gefühl, nicht allein zu sein. Der Raum war stockfinster, und deshalb konnten noch nicht einmal die geschärften Augen eines Zwerges die Dunkelheit durchdringen. Ein Geruch drang an seine Nase, der Duft von Rosenöl.
    Glimdibur stockte der Atem, und er lag regungslos auf seinem Bett, dennoch vernahm er das Geräusch von Luft, die durch zwei Nasenflügel in den Körper gepumpt wurde, und er hörte, wie sich Stoff über einem Oberkörper spannte, wenn sich der Brustkorb hob. Er war nicht allein, und er wusste, wer ihm diesen Besuch mitten in der Nacht abstattete. Er wusste auch, was er wollte, nur verstand er nicht, warum.
    »Hat er dich geschickt?«, wisperte Glimdibur in die Dunkelheit.
    Einen Moment lang herrschte Grabesstille, dann flüsterte ihm jemand direkt ins Ohr.
    »Ja, er hat entschieden, dass es zu gefährlich ist, dich am Leben zu lassen. Du könntest das Bündnis zwischen Menschen, Zwergen und Ogern gefährden. Dein Tod lässt den Unfall glaubwürdig erscheinen.«
    Glimdiburs Herz raste, und sein Atem war schnell und flach. Er hörte, wie sein Bruder den Knopf der Waffenschlaufe öffnete, an dem der Kriegshammer befestigt war.
    Wenn König Braktobil sein Ableben wünschte, dann war er bereits tot, die Ausführung war nur noch reine Formsache. Außerdem wäre er Ugomasch ohnehin nicht gewachsen, aber vielleicht hatte sein Bruder auch Recht, und er verfügte einfach nicht über genug Schneid, um am Leben zu bleiben.
    »Du hast vergessen«, röchelte Glimdibur, »dass der König somit auch dich ...«
    Niemand hörte den Schlag in der nächtlichen Stille, genauso wenig wie den letzten Atemzug, den der Tunnelbaumeister in die Gänge der Zwergenstadt schickte.

8
Besuch im Tempel
    Usils Zustand hatte sich nicht

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