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Der Rubin der Oger

Der Rubin der Oger

Titel: Der Rubin der Oger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephan Russbuelt
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Zwerge nicht im Geringsten nachstand.
    Glimdibur betrat den Aufzug und betätigte einen Hebel. Das Absacken des Käfigs ging einher mit dem Heben der Geheimtür, und alles geschah wie gewohnt geräuschlos. Glimdibur fuhr fast dreihundert Fuß in die Tiefe, bevor der Aufzug zur Ruhe kam.
    Auf die gleiche Weise wie zuvor öffnete sich die Wand vor ihm und gab den Blick auf eine große Halle frei. Die prunkvolle Ausstattung ließ keinen Zweifel daran, wo man sich befand. Dies war die Residenz von König Braktobil dem Zweiten, Herrscher über die Zwerge Nelbors. Zwei Wachen in aufwendig geschmiedeten Rüstungen versperrten Glimdibur den Weg. Jeder von ihnen war mit einer Zwergenhellebarde bewaffnet, und wenn man den Geschichten Glauben schenken durfte, waren die Obsidianwachen im Kampf jeder Kreatur gewachsen. Sie waren stumm, und alles, wofür sie lebten, war ihr König und sein Schutz. Wenn sie nicht gerade seinen direkten Befehlen folgten, trainierten sie den Umgang mit ihren Waffen.
    »Meister Glimdibur, welch glücklichem Geschick haben wir den Umstand deines Besuches zu verdanken?«, ertönte eine Stimme hinter den Wachen. Glimdibur kannte sie nur zu gut, es war die Stimme von Ugomasch, seinem Bruder und gleichzeitig Berater und langjähriger Freund des Königs.
    Die Wachen traten beiseite und gaben den Weg frei. Andächtig und mit gesenktem Haupt betrat Glimdibur die Halle.
    »Nicht so untertänig, Bruder, wir sind doch vom selben Blut«, maßregelte Ugomasch ihn.
    »Ich habe ein dringliches Anliegen. Es ist von größter Wichtigkeit, dass ich mit dem König spreche.«
    »Du kommst aber äußerst ungelegen. Der König hat sich gerade zur Ruhe begeben«, erklärte Ugomasch. »Es war ein anstrengender Tag, viele Entscheidungen gab es zu treffen, und die eine oder andere Ungereimtheit machte uns einen Strich durch die straffe Zeitplanung.«
    Glimdibur hasste es, wenn sein Bruder so geschwollen daherredete. Immer war er darauf bedacht, mit der Wahl seiner Worte etwas Normales in etwas Geheimnisvolles zu verwandeln. Die Stellung, die er innehatte, war zwar gut für sein Ansehen, doch seinem Charakter schadete sie enorm.
    »Du glaubst doch nicht, dass ich den geheimen Tunnel benutze, um mit dem König ein kleines Pläuschchen zu halten«, rechtfertigte Glimdibur sich mürrisch. »Ich habe den König erst ein einziges Mal in meinem Leben unaufgefordert behelligt, und das war der Tag, an dem die Elfen ihre Schiffe bestiegen, und was ich dem König damals kundtat, rechtfertigte jede meiner Handlungen. Heute ist es nicht weniger wichtig.«
    Ugomasch zog eine Augenbraue hoch.
    »Du scheinst in deinen dunklen Tunneln geübt zu haben mich nachzuahmen, und ich muss zugeben, es ist dir recht gut gelungen.
    Ich werde sehen, was ich tun kann. Warte hier.«
    Ohne Glimdibur die Möglichkeit zu einer schlagfertigen Antwort zu geben, drehte Ugomasch sich um und hielt auf die bronzene Tür zum Schlafgemach des Königs zu. Glimdibur sah ihm nach und fragte sich, was sie eigentlich so entzweit hatte. Als Kinder waren sie unzertrennlich gewesen. Aber Ugomasch strebte schon früh nach Höherem. Er war darauf versessen, bei allem, was er tat, der Beste zu sein, und egal, womit er sich beschäftigte, es war wichtig, wichtiger als das, was die anderen taten. Glimdibur hatte diesen Ehrgeiz nicht oder, wie sein Bruder sagen würde, er hatte nicht das Durchhaltevermögen, immer nach der Meisterschaft zu streben. Im Laufe der Jahre hatten sie sich immer weiter entfremdet. Nicht nur ihre moralischen Vorstellungen gingen auseinander, sie hatten sich auch körperlich unterschiedlich entwickelt. Ugomasch war der Stolz der Familie. Er dachte an das Wohl des Stammes, dafür war er bereit fast jedes Opfer zu bringen. Es gab für ihn kein Gut und kein Böse, nur ein Richtig oder Falsch. Immer darauf bedacht, unantastbar zu wirken, tat er das, wovon er überzeugt war, ohne je Reue zu verspüren. Sein Körper war vom Kampftraining gestählt, seine Kleidung aus feinsten Stoffen, der Bart akkurat geschnitten und die Zöpfe mit duftendem Öl gesalbt. Alles, was Glimdibur darstellte, war ein ältlicher Gelehrter in abgerissener Kleidung auf der Suche nach den großen Antworten im Fels.
    Ein zaghaftes Klopfen und einige erklärende Worte durch die geschlossene Tür veranlassten den König dazu, seine Gemächer zu verlassen. Glimdibur wollte niederknien, wie es das Protokoll verlangte, doch König Braktobil unterbrach ihn herrisch, noch bevor seine Knie den

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