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Der Rubin der Oger

Der Rubin der Oger

Titel: Der Rubin der Oger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephan Russbuelt
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Sanktionen zu rechnen. Damals hatte man sich sogar damit brüsten können, einen dieser Unholde Tabals im Alleingang erledigt zu haben. Nur weil man jetzt mit ihnen Handel trieb, waren sie noch lange nicht zivilisiert. Sie blieben blutrünstige Barbaren, denen man nicht vertrauen konnte. Wer würde sich schon um einen Oger kümmern, der, wie es aussah, bei einem Tunnelsturz ums Leben gekommen war? Er hatte den Stein, und niemand konnte ihn mehr wegnehmen; nichts konnte wichtiger sein als diese Tatsache. Das Zwergenrecht sagte, Edelsteine, die nicht in Zwergenminen entdeckt wurden, gehörten dem Finder, und genau so sollte es sein. Jetzt, nach so vielen Jahren der Arbeit, würde er endlich seinen gerechten Lohn bekommen. Er würde eine Berühmtheit sein. Dieser Stein machte ihn von Glimdibur Tunnelbauer zu ... Glimdibur Rubinfels.
    Das steile Gebirge ragte vor ihm auf. Riesige Felsblöcke türmten sich übereinander, ineinander verkeilt und über und über mit Geröllsplitt bedeckt. Einen sicheren Halt gab es hier genauso wenig wie eine Verschnaufpause auf dem Weg nach oben. Dennoch, Glimdibur hatte diesen Weg nicht ohne Grund gewählt. Er war einerseits der schnellste, wenn man zur Zwergenesse gelangen wollte, und andererseits bot er ihm die Möglichkeit, ungesehen in die Tiefen der Zwergenstadt vorzudringen. Er war sich nicht sicher, ob es vonnöten war, nicht gesehen zu werden, aber schaden konnte es auch nicht. Er würde nicht umhin kommen, dem König von dem Vorfall im Drachenhorst zu erzählen, doch er hatte sich vorgenommen, die Ereignisse in etwas abgewandelter Form wiederzugeben. Außer ihm gab es niemanden, der es hätte anders erzählen können.
    Mit einer Gewandtheit, die man nur einem Elfen im Wald oder einem Hai im Wasser zugetraut hätte, bewegte sich Glimdibur zwischen den Felsen. Jeder Schritt war wohlgesetzt, und jeder Handgriff saß. Sein ganzer Körper war gleichermaßen angespannt, und die Kraft, die er dabei aufbrachte, ließ seine Adern unter der Haut hervortreten. Er musste einen Höhenunterschied von etwas mehr als dreitausend Fuß überwinden, und er musste es schaffen, bevor es dunkel wurde. Eine Nacht zwischen zwei Felsen eingeklemmt zu verbringen, nicht richtig essen zu können und nicht einschlafen zu dürfen hatte wenig Reiz für ihn. Glimdibur erhöhte sein Tempo, doch ohne dabei seine Sicherheit aufzugeben. Er hockte in einer Felsspalte, die Beine auf der einen Seite an die Wand gedrückt und seinen Rücken auf der anderen. Er griff nach oben und wischte mit der Hand über eine Felskante, die er als Halt benutzen wollte, doch außer etwas Staub kam nichts heruntergerieselt.
    Glimdiburs Atem stockte. Er schaute verängstigt nach oben und musterte die Felsen. Er griff an seinen Gürtel und löste das Essgeschirr. Vorsichtig und ohne Lärm zu machen klemmte er es in eine Spalte. Dann versicherte er sich, dass das Lederpäckchen an seinem Gürtel gut verschnürt war. Mit einem fast liebevollen Klopfen und einem zufriedenen Gesichtsausdruck rückte er es noch einmal zurecht, dann machte er sich weiter an den Aufstieg. Fast wie in Zeitlupe bewegte sich der Bärtige zwischen den Gesteinsbrocken. Bei jedem Griff nach oben tastete er die Vorsprünge ab.
    »Wo bist du?«, fragte er sich selbst im Flüsterton.
    Mit ausgestrecktem Arm griff er nach einer Felsnase und hielt plötzlich inne. Behutsam zog er seine Hand zurück. Er drehte die Handfläche mit erstarrten Fingern zu sich und betrachtete sie. Eine klebrige, braune Masse hing daran und tropfte zähflüssig seinen Arm hinunter. Er roch daran, wobei er sorgfältig darauf achtete, direkten Kontakt mit Gesicht oder Bart zu vermeiden. Angeekelt rümpfte er die Nase. Er griff nach seiner Wasserflasche, die er zuvor abgelegt hatte, und musste zu seinem Ärger feststellen, dass sie beim Einklemmen leckgeschlagen war. Den letzten Rest des wertvollen Nasses verteilte er so gut er konnte, um seine Hand zu reinigen. Es reichte nicht. Überaus emsig versuchte er seine Hand am schroffen Fels abzuwischen. Ohne Erfolg. Angewidert starrte er auf seine Finger, schüttelte resigniert den Kopf und wischte sie mehrfach an Hemd und Hosenboden ab.
    Glimdibur brauchte einen Augenblick, um sich wieder zu sammeln, dann stieß er sich mit den Beinen ab, griff in eine Felsspalte und ballte die Hand zur Faust, die sich damit verankerte wie ein Kletterhaken, und rollte sein Gewicht auf den nächsthöheren Vorsprung. Sofort war er wieder auf den Beinen und zog seinen

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