Der Rubin der Oger

eine Rechnung mit Euch zu begleichen hat.«
    Wie durch einen stummen Befehl öffnete sich die Tür zum Schlafgemach erneut. Braktobil sah die Umrisse eines Elfen im Türrahmen stehen. Mit schallendem Gelächter verließ der Fremde die Gemächer des Königs und überließ seinen Platz dem Elfen. Die verzweifelten Rufe des Königs nach seiner Leibgarde und seiner rechten Hand Ugomasch verzerrten sich schnell zu Schmerzensschreien, bis irgendwann auch diese verstummten und sich eine gespenstische Stille über die Zwergenesse legte.

17
Schiffe in der Wüste
    Rator stand hüfthoch im rot verfärbten Wasser. Er hatte die Reise mit siebzehn seiner Kameraden begonnen. Es war nicht mehr als eine Erkundung, eine Suche nach einem einzelnen Mann, von dem er noch nicht einmal wusste, wer oder was er war. Zwei seiner Kameraden hatte er bei dem Ansturm der Rieseninsekten verloren, vier waren der Flutwelle zum Opfer gefallen, darunter auch der übereifrige Wurgut, und seit gestern war ein weiterer Oger spurlos verschwunden.
    Schon bei der ersten Begegnung mit dem Fremden hatte Rator das Gefühl gehabt, dass von ihm eine Gefahr ausging, der die Oger nicht gewachsen waren. Daher hatte er beschlossen, sich zurückzuhalten, abzuwarten und zu beobachten. Jetzt befürchtete er, gerade dieses Zögern könnte sieben seiner Kameraden das Leben gekostet haben. Er hatte den Fremden entkommen lassen. War er selbst Schuld an all dem Unglück? Er suchte nach einer Antwort, doch der rote Schlamm schien sie verschluckt zu haben. Nein, er würde solange nach dem wahren Schuldigen suchen, bis er ihn erwischt hatte. Oder bis zum Tod. Tabal würde seinen Weg bestimmen, wie er es immer getan hatte.
    »Du mir Zeichen geben, das ich kann sehen«, bat er leise.
    Die vielen Gedanken in seinem Kopf verdammten ihn zur Untätigkeit. Er ging voraus, führte die Gruppe der Überlebenden an und bestimmte die Richtung, doch als Anführer fühlte er sich nicht. In den Kriegen, die er bislang bestritten hatte, war das anders gewesen. Er hatte entschieden, wie ein Angriff durchgeführt werden musste, wer was zu tun hatte und womit gekämpft wurde. Dennoch war er nicht verantwortlich gewesen für das, was vorher und nachher geschah. Er hatte für sich und seinen Kampftrupp entschieden, jedoch niemals für das Wohlergehen eines ganzen Volkes.
    Rator stocherte mit einem langen Stück Holz das Gebiet vor sich halbkreisförmig ab. Er suchte nach flachen Passagen, die er und seine Kameraden überqueren konnten. An vielen Stellen war das Wasser tief. Ihre Ausrüstung wog schwer, und er war sich auch nicht sicher, ob alle schwimmen konnten. Daher mieden sie diese Gebiete. Es dauerte einige Zeit, sich von einer rettenden Insel zu nächsten durchzuschlagen. Manchmal mussten sie zwei oder drei Wegstunden zurückmarschieren, um es anderswo zu probieren. Immer, wenn sie eine Insel erreicht hatten, legten sie eine Pause ein. Die Bewegung im Wasser kostete viel Kraft, die sie unter Umständen benötigen würden, wenn sie die Berge erreichten.
    Der Tod ihrer Kameraden und die Strapazen schlugen den meisten von ihnen aufs Gemüt, nur Gnunt schien seinen Spaß an der Reise zu haben. Er hatte das Steuerrad eines Schiffes gefunden und war unentwegt damit beschäftigt, es von sich zu schleudern, sich an dem spritzenden Wasser zu erfreuen, das Rad zu bergen und wieder wegzuwerfen. Diesen Vorgang wiederholte er seit den frühen Morgenstunden. Er musste sich doppelt so viel bewegt haben wie die anderen, und dennoch schien er nicht erschöpft zu sein.
    Kruzmak hatte zu Rator aufgeschlossen und tippte ihm auf die Schulter.
    »Er verrückt geworden?«, fragte er und zeigte auf Gnunt, der gerade einen Hechtsprung machte, um sich sein Spielzeug zurückzuholen.
    Rator blieb stehen und schaute dem mächtigen Oger einen Moment zu. Gnunt war der einzige, der von oben bis unten mit rotem Schlamm bedeckt war, während alle anderen darauf achteten, nicht mehr als nötig mit dem ekelhaften Morast in Kontakt zu kommen. Rator zuckte mit den Achseln.
    »Er wie kleines Kind«, stellte Kruzmak fest.
    »Er nie gewesen Kind«, sagte Rator. »Ich gesehen, als wir gezogen Gnunt aus Wasser. Viele Schläge von Peitsche auf Rücken. Und Brandeisen. Narben schon alt, so alt wie Gnunt.«
    Sie schauten ihrem Kameraden noch einen Augenblick zu, beobachteten, wie er sich freute, als das Steuerrad abermals mit einem lauten Klatschen aufs Wasser aufschlug und er hinterherlief. Dann führten sie den Trupp weiter. Eine