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Der Rubin der Oger

Der Rubin der Oger

Titel: Der Rubin der Oger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephan Russbuelt
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Meile vor ihnen ragten einige Felsen aus dem Wasser, die Rator als nächsten Anlaufpunkt gewählt hatte.
    Zwei Mal mussten sie wieder umkehren und einen anderen Weg durch die immer sumpfiger werdende Landschaft suchen. Es war bereits später Nachmittag, als sie die Felsen endlich erreichten.
    Schnell hatte jeder einen Platz gefunden und nutzte die Zeit, um sich vom Schlamm zu befreien und ein paar Bissen der spärlichen Reste ihres Proviants zu kauen. Der Einzige, der keinen Hunger zu haben schien und bei dem es auch keinen Sinn machte, sich zu reinigen, war Gnunt. Er saß am Fuß der Felsen, bis zur Unterlippe eingetaucht in schlammiges Wasser, und gab gurgelnde Laute von sich, wobei vor seinem Gesicht rötliche Bläschen auf der Wasseroberfläche tanzten.
    »Gnunt, was du machen?«, fauchte Kruzmak ihn ärgerlich an.
    Erschrocken tauchte der Oger aus dem Wasser auf, und eine rote Brühe tropfte aus seinem Mund, als er sich Kruzmak zuwandte.
    »Gnunt snitzen hier«, war der komplette Kommentar, wobei er jedoch zu merken schien, dass die anderen von seinem Verhalten nicht allzu begeistert waren. Stumm und etwas eingeschüchtert gesellte er sich zu den übrigen Ogern oberhalb des Wasserspiegels.
    Rator sah, wie der Hüne zusammenzuckte, als ihm jemand ein Stück Dörrfleisch reichen wollte.
    »Gnunt«, fragte Rator, »wo du gewesen vor Krieg mit Meistern?«
    Gnunt wischte sich über die Lippen und begann freudestrahlend zu erzählen.
    Rator hatte Mühe, den Ausführungen zu folgen. Gnunts Wortschatz, der selbst für einen Oger äußerst beschränkt war, und die schlecht verständliche Aussprache machten es unmöglich, jedes Wort zu verstehen. Mit etwas Zeichensprache und ein wenig Unterstützung der anderen konnte Rator sich dennoch bald ein Bild davon machen, was der Oger durchlebt haben musste.
    Gnunt berichtete, wie er als sehr junger Oger von einem Trupp Orks gefangen genommen und in die nördlichen Berge verschleppt worden war. In einem Lager in der Nähe des Gipfels hielten sie ihn in einem Käfig gefangen und folterten ihn. Sie gaben ihm Abfälle zu essen, wobei allein schon das, was die Orks normalerweise aßen, in den Augen der Oger Abfälle waren. Als er groß und kräftig wurde, ketteten sie ihn an einen Lastenkorb der Zwerge. Seine Aufgabe bestand darin, die Patrouillen der Orks in dem provisorischen Aufzug nach oben in das Lager zu ziehen und den nächsten Trupp wieder hinunterzulassen. Die Orks nutzten jede Gelegenheit, ihn zu verspotten und zu quälen. Über zwanzig Jahre diente er den widerlichsten Kreaturen der Schöpfung Tabals. Als der Tag des Aufstands gekommen war, tötete er sämtliche Orks mit der langen eisernen Kette, die bis dahin um seinen Fuß gehangen hatte, und band die geschundenen Körper der Orks daran fest. Selbst als sich die Schlacht dem Ende zuneigte, zog er immer noch die toten Körper seiner Peiniger hinter sich her.
    Im Laufe des Berichts steigerten sich viele der Oger in einen neuen Hass gegen die Orks. Sie brüllten und schlugen mit den Schäften ihrer Waffen auf den Fels, als wenn sie Gnunt anfeuern wollten, neuerlich Rache zu nehmen. Nur ihn selbst schien die Geschichte nicht zu berühren. Im Gegenteil, er freute sich, sie seinen Kameraden erzählen zu können. Rator las in seinen Augen, dass er mit der Sache abgeschlossen hatte. Als alle verstummt waren und ihren Groll hinunterzuschlucken versuchten, sagte Gnunt: »Orks Gnunt stnark gemacht, kneiner knann Gnunt mehr einspnerren.«
    Noch als sie die nächste Insel erreichten, um ein Nachtlager aufzuschlagen, schwirrten Rator die letzten Worte Gnunts im Kopf herum, doch er konnte sich keinen Reim darauf machen und gab schließlich auf.
    Es dauerte eine Weile, bis er eingeschlafen war, da die untergehende Sonne nicht mehr genug Kraft besaß, um seine nasse und verschmutzte Kleidung zu trocknen. Seine Haut war vom langen Marsch im Wasser verschrumpelt, und der feine Sand scheuerte sie wund. Doch nach einiger Zeit siegte die Erschöpfung über alle Unannehmlichkeiten.
    Als Tastmar an seiner Schulter rüttelte, konnte er noch nicht lange geschlafen haben, da die Sonne die Ränder des Gebirges immer noch rot färbte.
    »Du erste Wache, ich dritte Wache«, brummte Rator ihn im Halbschlaf an.
    Schnell aber begriff er, das Tastmar etwas anderes wollte.
    »Dort Licht«, flüsterte er, um die anderen nicht zu wecken. Er zeigte Richtung Westen.
    Zuerst dachte Rator, es sei ein Stern, doch es lag auf halber Höhe zwischen ihnen und dem

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