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Der Rubin im Rauch

Der Rubin im Rauch

Titel: Der Rubin im Rauch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip Pullman
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Mrs. Rees zu dem Mädchen,
das gerade den Toast hereingebracht hatte. „Miss Lockhart behauptet,
in meinem Hause beraubt worden zu sein. Verdächtigt sie etwa meine
Dienstboten? Verdächtigst du meine Dienstboten, Miss?"
    Die Frage klang so wütend, daß Sally fast verzagte. „Ich weiß nicht,
wer es war! Aber als ich aufgewacht bin, war meine Tasche
durchwühlt, und es hat Verschiedenes gefehlt. Und -- "
    Mrs. Rees hatte einen roten Kopf bekommen. Sally hatte noch nie
jemanden so wütend gesehen, sie glaubte, die alte Frau sei völlig
verrückt geworden und wich ängstlich einen Schritt zurück.
    „Sehen Sie, Ellen, sehen Sie! Sie erwidert unsere Gastfreundschaft,
indem sie vorgibt, das Opfer eines Diebstahls zu sein! Sagen Sie mir,
Ellen, ist ins Haus eingebrochen worden? Gibt es zerschlagene Fenster
und Fußspuren? Sind andere Räume verwüstet? Sagen Sie mir 's,
Kind. Ich warte nicht einen Augenblick auf eine Antwort. Schießen
Sie los!"
    „Nein, Ma'am", antwortete das Mädchen ergeben flüsternd und
vermied es, Sally anzuschauen. „Ganz bestimmt, Mrs. Rees. Alles ist
an seinem Platz, Ma'am."
    „Auf Ihr Wort kann ich mich wenigstens verlassen, Ellen. Dann sag
mir, Miss" -- sie wandte sich wieder Sally zu, ihre Augen waren
verdreht wie bei einer Schamanenmaske, und ihre dünnen Lippen
waren zu einem Hohnlächeln verzogen, „sag mir, warum diese
Räuber, die das Haus gar nicht betreten haben, ausgerechnet dich mit
ihrem imaginären Interesse aussuchen sollten? Wer sollte denn bloß
bei dir irgendwas holen wollen?"
    „Papiere", antwortete Sally, die jetzt am ganzen Körper zitterte. Sie
konnte es nicht begreifen: Mrs. Rees schien wie besessen.
„Papiere? Papiere? Du unverschämtes Ding -- Papiere -- laß mich
den Tatort sehen. Laß mich sehen. Nein, Ellen, ich kann ohne Hilfe
aufstehen. Ich bin noch nicht so alt, daß alle Welt meine Schwäche
ausnützen darf -- aus dem Weg, Mädchen, aus dem Weg!"
So schrie sie Sally an, die verwirrt zwischen Tisch und Tür stand.
Ellen machte dienstbeflissen Platz, und Mrs. Rees schwankte die
Treppe hinauf. An der Tür zu Sallys Zimmer blieb sie stehen und
wartete darauf, daß man sie aufmachte. Wieder war es Ellen, die
öffnete, Ellen, die sie am Arm faßte, als sie eintrat, Ellen, die -- zum
ersten Mal
-- Sally, die gefolgt war, einen verschlagenen,
triumphierenden Blick zuwarf. Mrs. Rees schaute sich um. Die
Bettlaken waren zerwühlt, Sallys Nachthemd lag halb über dem
Bettende und halb auf dem Boden; zwei Schubladen standen offen, in
die hastig Kleider hineingestopft worden waren. Ein erbärmlicher
kleiner Haufen neben Sallys Tasche auf dem Fußboden
-- eine
Geldbörse, eine oder zwei Münzen, ein Taschentuch, ein Tagebuch --
erregte kaum Aufmerksamkeit. Sally erkannte, daß der Fall
hoffnungslos war, bevor Mrs. Rees auch nur den Mund aufmachte.
„Nun?" kam es. „Nun, Miss?"
„Ich muß mich geirrt haben, Tante Caroline. Es tut mir leid."
Das sagte sie beinahe gelassen, denn es war ihr gerade etwas
eingefallen: etwas ganz Neues. Sie bückte sich, um die Sachen vom
Boden aufzuheben und lächelte dabei.
„Was grinst du denn, Miss? Warum grinst du denn so unverschämt?
Mich grinst man nicht so an."
Sally schwieg, begann aber, ihre Kleider zusammenzufalten und sie
ordentlich aufs Bett zu legen.
„Was machst du denn? Antworte mir! Antworte mir sofort, du
unverschämtes Weibsstück!"
„Ich gehe", sagte Sally.
„Was? Was sagst du?"
„Ich gehe, Mrs. Rees. Ich kann hier nicht mehr bleiben -- ich kann
und will nicht bleiben."
Ein Keuchen von der Dame, ein Keuchen von dem Mädchen --
beide machten Platz, als Sally zielstrebig zur Tür ging.
„Ich werde meine Sachen holen lassen", sagte sie. „Du wirst so
freundlich sein, sie mir zu schicken, wenn ich dir meine neue Adresse
mitteile. Adieu."
Und sie verließ das Haus.
Und war dann ziemlich ratlos, was sie nun tun sollte, als sie auf
dem Bürgersteig draußen stand.
Sie hatte alle Brücken hinter sich abgebrochen -- das wußte sie
genau. Niemals mehr konnte sie zu Mrs. Rees zurückkehren, aber wo
sollte sie hin? Sie ging stetig weiter, weg von Peveril Square. Ein
Zeitungskiosk brachte sie auf eine Idee. Mit beinahe dem letzten Geld
-- drei Pennies -- kaufte sie ein Exemplar der ,Times', setzte sich in
einen nahegelegenen Friedhof und las sie. Es gab nur eine Seite, die
sie interessierte, aber es war nicht die Seite mit den Anzeigen für
Gouvernanten. Nachdem sie einige Notizen auf

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