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Der Rubin im Rauch

Der Rubin im Rauch

Titel: Der Rubin im Rauch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip Pullman
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sein
muß."
Er strich sich das Kinn und sah unbehaglich aus. „Miss Lockhart,
wir werden uns mal unterhalten müssen. Allerdings nicht jetzt -- ich
habe zu tun, aber vielleicht in einer Woche oder so. Dein Vater war
ein außergewöhnlicher Mensch, und du bist eine außergewöhnliche
junge Dame, wenn ich das sagen darf. Du machst einen äußerst
geschäftstüchtigen Eindruck. Ich bin beeindruckt. Deshalb werde ich
dir etwas mitteilen, was ich eigentlich für später aufheben wollte,
wenn du etwas älter bist: Ich mache mir Sorgen um diese Firma und
ich mache mir Sorgen wegen dem, was dein Vater tat, bevor er in den
Fernen Osten reiste. Du hast ganz recht, es sollte mehr Geld da sein.
Aber die Sache steht so, daß er seinen Anteil gänzlich an seinen
Partner Mr. Selby für zehntausend Pfund verkauft hat."
„Und wo ist dieses Geld jetzt?"
„Deshalb mache ich mir Sorgen. Es ist verschwunden."
LIEBE ZUR KUNST
    Im England des Jahres 1872 gab es für eine junge Dame wenig
Möglichkeiten auszugehen, sich irgendwo hinzusetzen, nachzudenken
und vielleicht eine Tasse Tee zu trinken. Der Tee war ihr gar nicht mal
so wichtig, aber früher oder später mußte sie etwas essen. Es gab nur
eine Klasse von gutgekleideten jungen Frauen, die sich zwanglos in
Hotels und Restaurants bewegten, und Sally hatte wenig Verlangen,
für eine solche angesehen zu werden.
    Aber sie war
-- wie Mr. Temple bemerkt hatte
-- eine
außergewöhnliche junge Dame. Durch ihre Erziehung hatte sie eine
Unabhängigkeit im Denken erlangt, die ihr mehr Ähnlichkeit mit
einem Mädchen von heute gab als einem Mädchen ihrer Zeit --
deshalb war sie ganz einfach gegangen und schreckte vor der
Aussicht, allein zu sein, nicht zurück. Sie verließ Lincolns Inn und
ging langsam am Fluß entlang, bis sie eine Bank unter der Statue eines
Königs mit enormer Haarpracht fa nd, setzte sich hin und beobachtete
den Verkehr. Der größte Schlag war der Verlust ihrer Pistole. Die drei
verlorengegangenen Blätter hatte sie kopiert -- die Botschaft aus dem
Osten, Major Marchbanks Brief und das einzelne Blatt aus dem Buch
-- sie standen in ihrem Tagebuch und waren somit erhalten geblieben.
Aber die Pistole war ein Geschenk ihres Vaters gewesen und hätte ihr
vielleicht eines Tages das Leben retten können.
    Am meisten hatte sie jedoch das Bedürfnis, mit jemandem zu reden.
Jim Taylor wäre der ideale Gesprächspartner gewesen, aber es war
Dienstag, und er war bei der Arbeit. Dann war da noch Major
Marchbanks -- aber Mrs. Holland beobachtete vielleicht das Haus, wie
sie das früher schon gemacht hatte. Dann erinnerte sie sich plötzlich
an die Karte, die sie in ihr Tagebuch gesteckt hatte. Dem Himmel sei
Dank, daß der Dieb das nicht mitgenommen hatte!
FREDERICK GARLAND
Photokünstler
45, Burton Street
London
     
Sie hatte ja jetzt etwas Geld. Sie winkte einer Droschke und gab
dem Kutscher die Adresse.
    Burton Street war eine heruntergekommene kleine Straße in der
Nähe des Britischen Museums. Die Tür zu Nummer 45 stand offen;
ein Schild verkündete, daß die Photographen W. und F. Garland hier
ihren Geschäften nachgingen. Sally trat ein und befand sich in einem
staubigen, engen kleinen Laden, der mit verschiedenen
Photogerätschaften vollgestopft war: Zauberlaternen, Flaschen mit
Chemikalien, Kameras und Ähnlichem, die auf der Theke standen und
wahllos auf den Regalen herumlagen. Es war niemand da, aber die
Tür, die in die Privaträume führte, war offen, und Sally konnte laute,
heftige Stimmen hören. Eine davon gehörte dem Photographen.
    „Das tu ich nicht!" schrie er. „Ich hasse grundsätzlich alle Anwälte
und dasselbe gilt für ihre dämlichen Angestellten -- "
„Ich red nicht von Anwälten, du Rindvieh!" erscholl die ebenso
leidenschaftliche Stimme einer jungen Frau. „Du brauchst 'nen
Buchhalter -- und wenn das nicht bald passiert, kannste den Laden
dichtmachen!"
„Gewäsch! Bleib du bei deiner Schauspielerei, du keifendes
Weibsstück -- Trembler, da ist 'n Kunde im Geschäft."
    Ein kleiner, runzliger Mann hastete ängstlich herbei; er sah aus, als
ducke er sich unter einer Gewehrsalve. Er schloß die Tür hinter sich,
aber das Geschrei hörte nicht auf.
„Sie wünschen, Miss?" fragte eine nervöse Stimme hinter einem
riesigen Schnurrbart, der ihm sicher immer in die Suppe hing.
„Ich würde gern Mr. Garland sprechen. Aber wenn er beschäftigt
ist..."
    Sie blickte auf die Tür, während er in sich zusammensank,

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