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Der Rubin im Rauch

Der Rubin im Rauch

Titel: Der Rubin im Rauch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip Pullman
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zu machen, und er hat mir alles über Buchhaltung und
Konten beigebracht -- ich wäre froh, wenn ich helfen könnte! Wissen
Sie, ich bin hergekommen, weil ich -- um Hilfe bitten wollte. Aber
wenn ich mich nützlich machen könnte, so wäre das doch viel besser.
Oder?"
Das letzte hatte sie etwas unsicher gesagt. Es war ihr nicht ganz
leicht gefallen, dies aus zusprechen, aber sie war entschlossen, es zu
einem Ende zu bringen. Sie blickte zu Boden.
„Meinen Sie das wirklich?" fragte das Mädchen.
„Ehrlich. Ich weiß, daß ich gut mit Zahlen umgehen kann, sonst
hätte ich gar nichts gesagt."
    „Dann wär's uns ein Vergnü gen", sagte Frederick Garland. „Siehst
du?" sagte er zu seiner Schwester. „Ich hab dir doch gesagt, daß es
überhaupt keinen Anlaß zur Sorge gibt. Miss Lockhart, essen Sie mit
uns zu Mittag?"
    In diesem Bohemehaushalt bestand das Mittagessen aus einem Krug
Bier, den Resten eines großen Stücks Roastbeef, einem Früchtekuchen
und einer Tasche voller Äpfel, die Rosa am Abend zuvor von einem
ihrer Verehrer bekommen hatte, einem Dienstmann auf dem Markt
von Covent Garden. Sie aßen mit Hilfe eines großen Taschenmessers
und den Fingern (und leeren Laborgläsern fürs Bier) und saßen
dichtgedrängt auf der Werkstattbank im Raum hinter dem Laden.
    Sally war hingerissen.
„Sie müssen schon entschuldigen, Miss", sagte der kleine Mann,
dessen einziger Name Trembler zu sein schien. „Es is nich Mangel an
Erziehung, 's is Mangel an Geld."
„Aber denk doch nur mal, was den Reichen abgeht, Trembler",
sagte Rosa. „Wer käm denn sonst auf die Idee, wie prima Rindfleisch
und Rosinenkuchen zusammen schmecken?"
„Ach, mach's halb so wild, Rosa, wir verhungern doch nicht",
    meinte Frederick. „Wir haben immer was zu essen gehabt. Und das
Abspülen sparen wir uns auch", sagte er zu Sally. „Eine Sache des
Prinzips: kein Geschirr, kein Abwasch."
    Sally fragte sich im Stillen, wie sie's dann beim Suppenessen
machten, fand aber nicht die Zeit zu fragen, denn jede Pause im
Gespräch nutzten sie ihrerseits für Fragen, und als die Mahlzeit vorbei
war, wußten sie genauso gut wie sie über das Geheimnis Bescheid.
Oder die Geheimnisse.
    „Also", meinte Frederick (irgendwann während des Verspeisens des
Rosinenkuchens waren sie, ohne es zu merken, zum Duzen
übergegangen), „sag mir mal: Warum gehst du eigentlich nicht zur
Polizei?"
    „Ich weiß auch nicht recht. Vielmehr, doch, ich weiß es. Es hat was
mit meiner Geburt zu tun -- oder dem Aufenthalt meines Vaters in
Indien -- und das will ich für mich behalten, bis ich mehr darüber
weiß."
    „Da hast du ganz recht", meinte Rosa. „Die Polizei ist so blöd -- das
ist doch wirklich das Letzte, was sie tun sollte."
„Du bist bestohle n worden", gab Frederick zu bedenken.
„Trotzdem möcht ich's nicht. Es gibt so viele Gründe... ich hab's
nicht mal dem Anwalt gesagt."
„Und du bist von zu Hause ausgezogen, wo wolltest du denn
leben?" fragte Rosa.
„Ich weiß auch nicht. Ich muß mir 'n Zimmer suchen."
„Also, das ist einfach. Wir haben massenhaft Platz. Du kannst erst
mal Onkel Websters Zimmer haben. Trembler soll's dir zeigen. Ich
muß jetzt zur Probe. Ich komm später wieder!"
Und ehe Sally sich bei ihr bedanken konnte, war sie auch schon
draußen.
„Wollt ihr's wirklich?" fragte Sally Frederick.
„Natürlich! Und wenn wir schon so geschäftstüchtig sind, dann
kannst du ja Miete dafür zahlen."
Sie dachte an das Zelt und war etwas verwirrt. Er schaute sie nicht
an und schrieb etwas auf einen Papierfetze n.
„Trembler", sagte er, „könnten Sie schnell zu Mr. Eele gehn und
fragen, ob Sie diese Bücher ausleihen können?"
„Klar, Mr. Fred. Aber die Platten müssen fertiggemacht werden und
das Magnesium."
„Machen Sie's, wenn Sie zurückkommen."
Der kleine Mann ging, und Sally fragte: „Heißt er wirklich
Trembler?"
„Er heißt Theophilus Molloy. Aber ehrlich, könntest du irgend
jemand Theophilus nennen? Ich nicht. Und seine früheren Partner
haben ihn Trembler genannt, und der Name ist ihm dann einfach
geblieben. Er ist 'n erfolgloser Taschendieb. Ich lernte ihn kennen, als
er versucht hat, mir was zu klauen. Er war so erleichtert, als ich ihn
ertappt hab, daß er praktisch vor Dankbarkeit geweint hat, und
seitdem ist er bei uns. Aber schau mal -- ich finde, du solltest deine
Zeitung lesen. Ich seh grad, daß du ein Exemplar der Times hast.
Schau mal, was auf Seite sechs steht."
Sally tat überrascht,

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