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Der Rubin im Rauch

Der Rubin im Rauch

Titel: Der Rubin im Rauch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip Pullman
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größeren Teil der Einkünfte des Hauses in der
Burton Street ausmachte.
    „Aber Frederick hat 'n schönen Batzen Geld verdient", meinte
Sally, die einen Haufen unordentlicher Quittungen und hingekritzelter
Rechnungen sortierte und Einkommen auf der einen Seite, Ausgaben
auf der anderen verbuchte. „Da kommt nämlich eine ganze Menge
Geld rein. Aber es scheint alles wieder ausgegeben zu werden."
    „Wenn Se irgend wie entdecken, wie man was von dem Bargeld
retten könnte, täten Se ihnen den größten Gefallen. Das schafft er
nämlich nie."
    Sie arbeitete den ganzen Nachmittag lang weiter, allmählich lichtete
sich das Chaos an unbezahlten, zerfetzten Rechnungen, und es kam
eine gewisse Ordnung in das Ganze. Es machte ihr großen Spaß.
Endlich hatte sie etwas, was sie verstand und mit dem sie umgehen
konnte, etwas, was Hand und Fuß hatte! Trembler brachte ihr um fünf
Uhr eine Tasse Tee und verließ ab und zu den hinteren Raum, um im
Laden einen Kunden zu bedienen.
    „Was verkaufen Sie am meisten?" fragte Sally. „Photographische
Platten und Chemikalien. Mr. Fred hat vor 'n paar Monaten 'n großen
Vorrat an Stereoskopen angelegt, als er 'n bißchen Geld für 'ne
Erfindung bekommen hat. Aber die verkaufen sich nich. Die Leute
wollen die Bilder dazu, und er hat kaum was."
„Er sollte welche aufnehmen."
     
„Sagen Sie ihm das mal. Ich hab's versucht, aber er will ja nich auf
mich hören."
     
„Was mögen denn die Leute am liebsten?"
    „Szenen sin am besten. Stereoskopische Szenen sin anders als die
normalen. Es gibt da humorvolle, sentimentale, romantische,
erbauliche und riskante. Ach ja, und die, die schlüpfrig sin. Aber da
will er nich ran. Sagt, die seien ordinär."
    Als Frederick um sechs Uhr zurückkam, hatte sie die Rechnungen
vollständig geordnet und genau aufgeschrieben, was sie in den sechs
Monaten seit Webster Garlands Abreise nach Ägypten eingenommen
und ausgegeben hatten.
„Wundervoll!" sagte er fröhlich und stellte seine Kamera und sein
    Dunkelkammerzelt ab, bevor er die Ladentür schloß.
„Es wird noch einen Tag oder so dauern, um richtig Ordnung da
reinzubringen", sagte sie. „Und dann mußt du mir noch sagen, was
diese Notizen da bedeuten. Ist das deine Schrift?"
    „Fürchte ja. Wie sieht's denn aus? Gut oder mies? Bin ich pleite?"
„Du mußt die Leute mahnen, daß sie deine Rechnungen rechtzeitig
bezahlen. Das sind 56 Pfund 7 Schillinge, die man dir schon seit
    Monaten schuldet, und zwanzig Guineen von letztem Monat. Wenn du
das reinkriegst, kannst du das meiste zahlen, was du schuldest. Aber
du mußt es richtig machen und ordentlich Buch führen."
    „Keine Zeit."
„Du mußt dir Zeit nehmen. Es ist wichtig."
„Zu langweilig."
„Dann stell jemand ein, der's für dich tut. Es ist notwendig, sonst
    bist du pleite. Du brauchst nicht mehr Geld -- du mußt nur das, was da
ist, richtig verwalten. Und außerdem kann ich wahrscheinlich einen
Weg finden, wie man noch mehr verdienen kann."
    „Willst du den Job?"
„Ich?"
Er schaute sie sehr ernst an. Seine Augen waren grün, das hatte sie
    vorher nicht bemerkt. „Warum nicht?"
„Ich -- ich weiß nicht recht", stotterte sie. „Ich hab das heut
gemacht, weil... weil's nötig war. Als Gegenleistung, daß du mir
geholfen hast... aber ich finde, du brauchst jemand, der das
professionell macht. Jemand, der das ganze Geschäftliche managt..."
„Willst du's machen?"
Sie schüttelte den Kopf, zuckte die Achseln, dann nickte sie und
zuckte wieder schnell mit den Achseln. Er lachte, und sie wurde rot.
„Schau doch mal", sagte er, „du bist doch genau die Richtige für
diesen Job. Du mußt doch schließlich irgendwas tun. Du kannst nicht
von einem winzigen Einkommen leben... Oder willst du vielleicht
Gouvernante werden?"
Sie schauderte. „Nein!"
„Oder Kindermädchen oder Köchin oder so was? Wahrscheinlich
nicht. Und du kannst das und machst es doch gut."
„Ich mach's gern."
„Warum zögerst du dann?"
„Also gut. Ich -- ich mach's. Vielen Dank."
Sie schüttelten sich die Hände und vereinbarten die Bedingungen.
Ihr Lohn würde zunächst in freier Kost und Logis bestehen; es war
schließlich kein Geld da, um sie zu bezahlen. Erst mußten sie welches
verdienen, erklärte sie. Wenn der Betrieb Gewinn machen würde,
erhielte sie fünfzehn Schillinge die Woche.
Als dies abgemacht war, fühlte sich Sally irgendwie glücklich. Um
ihre Vereinbarung zu feiern, ließ Frederick aus dem billigen
Speisehaus um die Ecke

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