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Der Rubin im Rauch

Der Rubin im Rauch

Titel: Der Rubin im Rauch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip Pullman
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hoch.
Sie waren etwa einen Meter von der Kante des Kais entfernt.
Frederick wußte, daß es seine letzte Chance war. Irgendeine
geisterhafte Erinnerung an sein Fechten fiel ihm wieder ein, er suchte
einen festen Stand und schlug los. Er konnte kaum etwas sehen; beide
Augen waren blutverschmiert, aber er spürte, daß der Stock irgendwo
auftraf und hörte Jim „Hierhin, hierhin, Fred!" schreien.
Er schlug wieder zu und rieb sich die Augen. Jim stürzte sic h auf
die Knie des großen Mannes, und verwirrt fiel Mr. Berry hin -- genau
auf die Kante des Kais. Frederick holte wieder aus; Mr. Berry kniete
und drohte Jim mit der Faust und packte ihn am Ohr. Jim fiel auch,
aber der große Mann war aus dem Gleichgewicht. Frederick erkannte
seine Chance und schleuderte mit letzter Kraft den Stock. Mr. Berry
verschwand. Jim lag still da. Frederick fiel auf die Knie und übergab
sich. Jim robbte bis an die Kante und schaute hinunter. Schweigen.
„Wo ist er?" fragte Frederick mit geschwollenen Lippen und
zerbrochenen Zähnen.
„Da unten", sagte Jim.
Frederick kroch an den Rand. Am Fuß der Mole befand sich eine
Plattform, die etwa einen Meter breit war; Mr. Berry lag ausgestreckt
halb darauf und halb im Schlamm. Er hatte sich das Genick
gebrochen.
„Du warst es", sagte Jim.
„Wir waren's. Wir ham ihn umgebracht."
„Wo ist Adelaide?"
Sie schauten sich um. Der Kai war leer. Es hatte aufgehört zu
regnen, und die Pfützen schimmerten im schwachen Licht. Unter
ihnen auf dem Schlick bewegten sich die Boote, die dem Wasser am
nächsten waren und richteten sich langsam auf, als stünden sie aus
ihren Gräbern auf, aber es war nur die Flut. Jim und Frederick waren
allein. Adelaide war verschwunden.
LONDON BRIDGE
    Viel später wachte Sally auf. Die Zeiger der Küchenuhr waren auf
Mitternacht vorgerückt, und das Feuer war heruntergebrannt.
Trembler schlief im Lehnstuhl. Alles sah vertraut aus -- außer ihr
selbst, denn sie hatte sich verändert, und die Welt hatte sich auch
verändert. Sie konnte kaum glauben, was passiert war... außer, daß
dadurch alles erklärt war. Trembler fuhr aus dem Schlaf auf.
    „Guter Gott, Miss! Wieviel Uhr ist es denn?"
„Mitternacht."
„Hast du -- oh nein, ich bin doch nicht eingeschlafen, oder?"
Sie nickte. „Macht nichts."
„Alles in Ordnung, Miss? Es tut mir schrecklich leid - "
„Alles in Ordnung."
„Du siehst ganz geschockt aus, als hättste 'n Geist gesehn. Laß
mich 'ne Tasse Tee machen. Und ich hab gesagt, daß ich wach
bleibe... Bin auch zu gar nix zu gebrauchen."
    Sally hörte nicht zu. Trembler stand auf und berührte ihre Schulter.
„Miss?"
„Ich muß den Rubin finden, ich muß ihn einfach finden."
    Sie stand auf und ging zum Fenster; sie sah geistesabwesend aus
und schlug leicht die Hände aneinander. Trembler wich erschreckt
etwas zurück und kaute auf seinem Schnurrbart herum.
    Dann sagte er: „Miss, warte bis Mr. Frederick zurückkommt -- "
„Trembler, hat er's eigentlich rausgekriegt? Wo er versteckt ist? Ich
muß ihn unbedingt haben. Ich weiß jetzt warum. Ich muß ihn haben.
Hat er's rausgebracht?"
„Was willst du denn machen, Miss?"
„Wissen Sie's, Trembler?"
Trembler schloß die Augen.
„Warte mal, Miss."
Er ging aus der Küche -- und eine Sekunde später kam Rosa herein
aus der Kälte, naß und verärgert.
„Puh! Das ist vielleicht 'ne Nacht! Und das Theater war nicht mal
halb voll, und das Publikum war miserabel -- Sally, was ist los? Was
ist denn? Wie riecht's denn da?"
Sie rümpfte ihre nasse Nase und rieb sich das Wasser aus den
Augen, während sie sich umsah und die Asche und die Streichhölzer
auf dem Tisch entdeckte.
„Was ist denn das? Doch nicht Opium?"
Trembler kam zurück, ehe Sally etwas sagen konnte.
„Es war mein Fehler, Miss Rosa", sagte er schnell. „Ich hab's
zugelassen."
„Und was ist mit Ihnen?"
Sie ließ den Mantel fallen und eilte zu ihm, um sein blaues Auge
und seine zerschrammte Backe anzuschauen.
„Was ist denn bloß los? Wo ist Fred?"
„Adelaide ist verschwunden", sagte Trembler. „Mrs. Holland is mit
so 'nem großen Kerl da aufgetaucht und hat sie mitten auf der Straße
geschnappt. Mr. Fred und der junge Jim da sind hinter ihnen her."
„Wann war das?"
„Schon vor Stunden."
„Oh, mein Gott -- Sally, warum das Opium?"
„Ich hab's einfach machen müssen. Und jetzt muß ich den Rubin
finden, weil ich alles drüber weiß. Oh, Rosa, ich bin - "
Ihre Stimme zitterte, sie umarmte Rosa und brach plötzlich

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