Der Rucksackmörder
keine Ruhe.«
Eine Beamtin, die die wehrlos wirkende Frau aus dem Raum führt, sagt: »Wir werden alles nur Erdenkliche tun, um Ihre Tochter zu finden. Wir werden alles dafür tun, dass Sie sie bald wieder in Ihre Arme nehmen können. Glauben Sie mir, meine Kollegen versuchen, ihr Bestes zu geben.« Dann fährt sie sie zu einem Hotel. Sie verabreden sich für den kommenden Tag.
Eine Vermisstenanzeige, die man benötigte, konnte nur sie selbst aufgeben, und darauf wollte man bis zum nächsten Tage warten.
Frau Schmidl sieht nicht die ersten Sonnenstrahlen, die den neuen Tag ankündigen. In der Nacht hatte sie keine Ruhe gefunden. Immer wieder hatte sie sich eingeredet, dass alles nur ein Irrtum war und ihre geliebte Simone bald wieder bei ihr sein würde. Doch es waren auch drohende schwarze Wolken über ihr aufgezogen; sie hatte die schrecklichsten Vorstellungen. Sie wollte sie verdrängen, sie nicht aufkommen lassen. So sehr sie sich auch bemühte – sie ließen sich nicht vertreiben.
Sie liegt noch immer fast regungslos auf dem Bett, als die junge Beamtin an die Türe des Hotelzimmers klopft.
Ein verzweifelter Hilferuf
Detective Calderbank bat Janette Müller, nach Melbourne zu kommen, um eine Aussage aufnehmen zu können. Sie war die Letzte gewesen, die Simone lebend gesehen hatte. Schon für den nächsten Tag war ihr Kommen vereinbart. Wortlos stehen sich die beiden Frauen nun gegenüber. Die Mutter von Simone und die junge Frau, die ihre Tochter zuletzt sah. Sie bemerken nicht die Fernsehkamera, die man im Zimmer aufbaut. Sie bemerken nicht, dass soeben die größte Suchaktion beginnt, die es je in der Geschichte Australiens gegeben hat. Das grelle Licht der angeschalteten Scheinwerfer holt die beiden Frauen zurück in die Realität. Die Reporter der größten Fernsehanstalt dieses Landes werden ihnen vorgestellt. Der Aufnahmeleiter sagt: »Frau Schmidl, wir werden Ihnen helfen, Ihre Tochter zu finden. Sie haben nun die Möglichkeit, sich an die Bevölkerung zu wenden. Wir suchen nach Menschen, die Ihre Tochter in den letzten Tagen und Wochen gesehen haben. Und wir werden sie bitten, sich bei der Polizei zu melden. Frau Müller wird uns dabei als Dolmetscherin zur Verfügung stehen.«
Noch nie stand Elfriede Schmidl vor einer Fernsehkamera.
Unsicher nimmt sie neben Jenny Müller Platz. Dann beginnt auch schon die Anmoderation des Reporters. Er berichtet, dass eine junge Deutsche namens Simone Schmidl seit mehreren Wochen vermisst wird. Jenny Müller berichtet, an welcher Stelle sie Simone zum Bus gebracht hat und welche Strecke sie nehmen wollte. Man blendet Bilder von Simone ein. Die Mutter von Simone weint.
Inständig wendet sie sich an die Bevölkerung: »Bitte helfen Sie mir, meine Tochter zu finden. Vielleicht liegt sie in einem Krankenhaus. Vielleicht hatte sie einen Unfall, ist ohnmächtig und kann keine Angaben zu ihrer Person machen. Vielleicht hat sie ja jemand gesehen. Bitte melden Sie sich bei der Polizei, wenn Sie mir helfen können, meine Tochter zu finden.«
Unter Tränen endet ihr Aufruf: »Ich hoffe, dass meine Tochter noch am Leben ist.«
Selbst die hartgesottenen Berichterstatter sind gerührt über den Aufschrei dieser Frau. Mit bewegter Stimme bittet der Reporter die Zuschauer nochmals, sich umgehend bei der Polizei zu melden, falls sie etwas gesehen haben. Die Resonanz auf diesen landesweit ausgestrahlten Hilferuf ist groß. Es kommt zu einer Welle der Hilfsbereitschaft und Anteilnahme.
Unzählige Hinweise gehen bei den örtlichen Dienststellen ein.
Doch keiner dieser Hinweise bringt ein Lebenszeichen von Simone.
Sechs lange Wochen hofft die Mutter von Simone auf Nachricht. Sechs lange Wochen des Bangens und Hoffens sind vergangen, als sie wieder am Terminal des Flughafens steht, Freunde haben sie zum Flughafen gebracht doch sie sprechen kein Wort. Beim Abschied streicheln sie ihre Wangen, umarmen die Unglückliche noch ein letztes Mal. Stumm und leise weinend geht sie durch den Zoll. Sie will dieses Land verlassen, den Boden dieses Kontinents nicht sehen, der ihr Kind in sich aufsog und nicht mehr freigeben will. Sie blickt zum Himmel, und niemand weiß, was sie dabei denkt.
Ein Mädchen wird vermisst
Am schweren hölzernen Tor einer Kirche verliert sich fast ein kleines DIN-A4-Plakat, und doch gibt es wohl keinen der Besucher dieses Gotteshauses in Südwales in Australien, der es übersieht.
Kopfschüttelnd stehen zwei ältere, gut gekleidete Damen vor diesem
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