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Der Ruf der Kalahari - Mennen, P: Ruf der Kalahari

Titel: Der Ruf der Kalahari - Mennen, P: Ruf der Kalahari Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Mennen
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sie von einem Pochen an ihrer Tür. Verwirrt schreckte Jella hoch. Die Sonne schien längst durch ihr Fenster. Sie hatte verschlafen.
    »Fräulein Jella«, klang es von der Tür. Es war Nancys Stimme. »Draußen wartet Jakob. Er kommt von Herrn Fritz und hat Nachricht für Sie.«
    »Moment, ich komme!« Jella rieb sich die Augen und gähnte. Was konnte Fritz van Houten jetzt noch von ihr wollen? Ihr Puls beschleunigte sich bei dem Gedanken an ihn. Hatte sie ihn doch nicht so verprellt, wie sie befürchtet hatte? Hastig schlüpfte sie in
ihre Pantoffeln und zog sich ihren Morgenmantel über. Bevor sie die Tür öffnete, ging sie zur Waschschüssel und goss sich mit beiden Händen einen Schwall Wasser ins Gesicht, um etwas klarer zu werden. Dann fuhr sie sich grob mit den Händen durch die Haare und ordnete ein wenig ihre zerzauste Lockenpracht.
    Jakob wartete draußen vor der Veranda. Er war ein hochgewachsener Damarra von vielleicht fünfzig Jahren mit einer breiten Zahnlücke zwischen den blitzweißen Schneidezähnen. In seinen krausen Haaren zeigten sich erste Anzeichen von Grau. Wie die meisten Schwarzen, die bei den weißen Farmern arbeiteten, trug er eine Stoffhose und ein buntes Baumwollhemd nach deutscher Schnittart. Den verbeulten Strohhut hielt er in seinen Händen, während er Jella breit anlachte.
    »Guten Morgen, Madame«, begrüßte er sie.
    »Guten Morgen, Jakob. Hast du wirklich meinetwegen den weiten Weg nach Owitambe auf dich genommen?«, fragte sie neugierig.
    »Herr Fritz und Madame van Houten haben eine Nachricht für Sie«, sagte Jakob in einwandfreiem Deutsch. Nur die Betonung der Wörter verriet, dass er kein Deutscher war. Er überreichte Jella einen Briefumschlag, auf dem in schön geschwungenen Buchstaben ihr Name stand. Jella nahm ihn entgegen und zog den Brief aus dem Umschlag.
     
    Wertes Fräulein Jella!
    Es tut mir leid, dass ich mich Ihnen neulich in so unschicklicher Weise genähert habe. Ich hatte Ihr Einverständnis vorausgesetzt, ohne mich dessen zu vergewissern. Das war unverzeihlich. Ich habe mich in einem Moment unbedachter Schwäche hinreißen lassen. Es wäre nur zu verständlich, wenn Sie mich nun nie mehr sehen wollten. Dennoch hoffe ich auf Ihre Nachsicht. Es war keineswegs meine Absicht, Sie zu kompromittieren.
    Wenn Sie dennoch den Großmut besitzen, mir zu vergeben, dann würde
ich gern die Gelegenheit wahrnehmen, um mich für diesen Fauxpas angemessen zu entschuldigen. Meine Mutter, Imelda van Houten, und ich würden Sie gern als unseren Gast nach Okakarara einladen. Wie Sie wissen, betreiben wir dort den einzigen Store. Er ist sicherlich nicht vergleichbar mit den Stores in Windhuk oder Svakopmund und schon gar nicht mit den herrlichen Kaufhäusern in Berlin und Hamburg, aber wir führen immerhin alle wichtigen und auch besondere Dinge. Vielleicht geben Sie uns die Ehre, das selbst zu beurteilen?
    Vielleicht könnte ein Besuch von zusätzlichem Reiz für Sie sein, wenn Sie erfahren, dass meine Mutter Gelegenheit hatte, Ihren Vater persönlich kennenzulernen. Es wäre ihr eine Ehre, Ihnen etwas über ihn zu erzählen.
    Bitte überbringen Sie Jakob eine Ihnen genehme Antwort. Falls Sie sich zu einem sofortigen Besuch entschließen könnten, wäre es für Jakob eine große Freude, Sie in seinem Wagen mitzunehmen.
    Fühlen Sie sich ganz frei in Ihren Entscheidungen!
    In der Hoffnung auf ein baldiges Wiedersehen
     
    verbleibe ich
    Ihr Fritz van Houten
     
    Hin und her gerissen las Jella den Brief ein weiteres Mal und dann auch noch ein drittes Mal. Einerseits erleichtert, dass Fritz die Schuld nicht bei ihr gesucht hatte, suchte sie andererseits vergeblich nach Hinweisen auf seine Zuneigung zu ihr. »In einem Moment unbedachter Schwäche« - bedeutete das nicht, dass sein versuchter Kuss nur eine Laune gewesen war? Offensichtlich hatte sie sich das Gefühl großer Nähe, das sie an jenem Abend für einen Augenblick gespürt hatte, doch nur eingebildet. Seine Einladung nach Okakarara war allerdings eine großzügige Geste.
    »Neuigkeiten aus Okakarara?«
    Lucies ins Schrille neigende Stimme klang spöttisch und riss Jella unsanft aus ihren Gedanken. Unangenehm berührt wandte
sie sich zu ihr um. Lucie war ebenfalls noch im Morgenmantel, hatte sich die Haare jedoch bereits ordentlich hochgesteckt und war wie immer einen Hauch zu kräftig geschminkt. Herablassend musterte sie Jellas nachlässigen Aufzug, sodass sie sich wie eine Bettlerin fühlen musste. Jella reagierte nicht

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