Der Ruf der Kalahari - Mennen, P: Ruf der Kalahari
Züge. »Wenn Sie und Ihre Leute nicht zur rechten Zeit gekommen wären, wäre das alles hier ganz anders ausgegangen.«
»Schon gut«, murmelte Fritz. »Es war uns eine Ehre.«
»Kennen wir uns nicht?«, fragte Jellas Vater, der nun seinerseits Fritz eingehender betrachtete.
»Gut möglich«, antwortete dieser einsilbig. »Wir haben den Store in Okakarara.«
Plötzlich hatte er es sehr eilig wegzukommen. Wenn er seine Fassung nicht verlieren wollte, musste er sofort von hier verschwinden.
»Es war reiner Zufall, dass wir gerade hier vorbeigekommen sind«, log er und wandte sich ab. »Bitte entschuldigen Sie, aber ich muss jetzt den anderen hinterher. Vielleicht schnappen wir die Greenwoods ja noch.«
Er tippte mit seiner gesunden Hand kurz an seinen Hut und saß auf. Noch bevor Jella aus ihrer Ohnmacht erwachte, war er am Horizont verschwunden.
Neue Wege
Drei Monate später
Die Regenzeit neigte sich ihrem Ende zu, und mit ihr kam die Zeit der letzten Blüte. Die dräuend schwarzen, gewittrigen Wolkenwände lösten sich in dem tiefen Blau des afrikanischen Himmels auf und verschwanden schließlich ganz. Die Nächte in Owitambe begannen kühl zu werden, während die Sonne am Tag unvermindert heiß auf das Land strahlte. Vieles war geschehen in den letzten Monaten. Überall rumorte es. Politische Unruhen überzogen das gesamte Land. Bereits im Oktober 1903 hatten sich die Bondelswarts-Nama im Süden des Landes erhoben. Sie begehrten gegen die deutsche Kolonialverwaltung auf, weil diese ihrer Meinung nach ihre Befugnisse eindeutig überschritt. Ein von der Kolonialverwaltung angeordnetes Zähl- und Registrierungsvorhaben hatte das Fass zum Überlaufen gebracht. Jeder Nama sollte gezwungen werden, seine Waffen zu melden. Die deutsche Verwaltung wollte damit den unkontrollierten Zuwachs von Waffen im Land unterbinden, um die Kampfkraft der Stämme zu mindern. Für die Nama bedeutete dies ein Einmischen in ihre ureigensten Angelegenheiten. Kein Bondelswart-Nama wollte sich auf diese Weise in das deutsche Ordnungssystem einbinden lassen. Eine wenig geplante, aber umso heftigere militärische Auseinandersetzung war die Folge gewesen. Sie zog sich bis über das Jahresende hin und konnte erst nach dem Einsatz von Verstärkungstruppen aus dem
Norden des Landes mit einem Sieg der Deutschen beendet werden. Der Abzug der Schutztruppen aus dem Norden hatte allerdings zur Folge, dass das Zentrum und der Norden des Landes nun ohne ausreichende militärische Bedeckung zurückgeblieben waren. Dieses Machtvakuum nutzten die ebenfalls immer unzufriedener werdenden Hereros, um ihrerseits einen Aufstand anzuzetteln. Sie gingen dabei äußerst subtil vor. Mitte Januar 1904 riefen die Häuptlinge der unterschiedlichen Hererostämme zu einem Treffen in der Region Waterberg auf. Offiziell ging es um die anhaltenden Erbschaftsstreitigkeiten, die nach dem Tod des bedeutenden Waterberg-Hererohäuptlings Kaonjonia Kambazembi beigelegt werden sollten. In Wirklichkeit ging es um die Aufkündigung der bestehenden Schutztruppenverträge und den bevorstehenden Kampf gegen die deutschen Besatzer, mit dem Ziel, sie zum Verlassen des Landes zu bewegen. Nach langem Zögern hatte sich Samuel Maharero, der Oberhäuptling der Hereros, zum Kampf überreden lassen. Maharero hatte persönlich keinerlei Interessen an dieser Auseinandersetzung, da er dem deutschen Gouverneur Theodor Leutwein freundschaftlich verbunden war und aus dieser Verbindung viele persönliche Vergünstigungen gezogen hatte. Nun war der Druck der anderen Herero-Häuptlinge auf ihn so stark geworden, dass er sich nicht länger verweigern konnte. Grund waren die anhaltenden Konflikte zwischen den deutschen Siedlern und den Herero-Hirten gewesen. Die Hereros fühlten sich von den Siedlern übervorteilt und ausgebeutet. Dabei ging es um Land- und Wasserrechte, die sich die deutschen Siedler oft mit Tricks und Betrügereien ergaunert hatten, aber auch um die rechtliche Diskriminierung, wenn sich zum Beispiel deutsche Siedler an schwarzen Frauen sexuell vergingen und dafür straffrei blieben, während schwarze Triebtäter mit dem Tode bestraft wurden. Schon lange hatte es im Land gebrodelt, aber jetzt war der Zeitpunkt gekommen, dass die Hereros zu einer Entscheidung drängten.
»Ich kämpfe, tötet alle Deutschen.«
Mit diesen Worten trat Samuel Maharero eine Lawine los, die zu zahlreichen Überfällen und Morden führte. Es war ein schwacher Trost, dass der Oberhäuptling
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