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Der Ruf der Kiwis

Der Ruf der Kiwis

Titel: Der Ruf der Kiwis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Lark
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    Gwyn schwieg ebenfalls, während die kräftigen Stuten Meile um Meile über die inzwischen gut ausgebaute Straße durch die Canterbury Plains trabten. Mit der Kutsche würden sie wirklich die ganze Nacht brauchen; es wäre besser gewesen, im White Hart zu übernachten. Andererseits war es eine so klare, schöne Nacht. Kalt natürlich, aber nicht regnerisch, der Himmel war voller Sterne, das Siebengestirn leuchtete über ihnen.
    »Matariki«. James hatte Gwyn den Namen vor langer Zeit, in einer Nacht der Liebe beigebracht.
    Gloria nickte ernst.
    »Und 
ika-o-te-rangi
. Die Milchstraße. Der Himmelsfisch für die Maoris.«
    »Du kannst es ja noch!«, lächelte Gwyneira. »Marama wird sich freuen. Sie hatte immer Angst, dass du dein Maori vergisst. Wie Kura. Sie meint, dass Kura die Sprache vergessen hat. Was ich allerdings seltsam finde. Kura sprach noch als Erwachsene fließend Maori, und sie singt in der Sprache. Wie könnte sie die Worte vergessen haben?«
    »Die Worte nicht«, sagte Gloria und dachte an Tamatea.
    Gwyneira zuckte die Schultern. Bald würde die Sonne aufgehen, und sie näherten sich Kiward Station. Gloria musste die Gegend jetzt auch erkennen. Die Weiden, den See ...
    »Kann ich ... kann ich kutschieren?«, fragte das Mädchen heiser. Ihre Sehnsucht, die Cobs selbst auf die Zufahrt zum Haus zu lenken, war so groß, dass sie sogar Nimue losließ.
    Gwyneira wollte die Zügel schon hinüberreichen. Aber dann drängte sich ihr ein Bild auf: Lilian, an dem Tag, an dem sie aus England zurückkehrte. Ihre lachenden Augen, ihre anfeuernden Rufe, ihr Haar, das im Wind wehte. Gwyneira hatte sich jung gefühlt, war ganz aufgegangen in der Freude ihrer Urenkelin an den Pferden und der schnellen Fahrt. Und dann James, der mit dem Schimmel auf sie zugaloppierte. So wie damals, wenn er sie im Ring der Steinkrieger erwartet hatte. Lilian schien Gwyneira mit auf eine Reise in die Zeit zu nehmen. Aber dann ...
    Gwyneira hätte die Zügel nicht aus der Hand geben dürfen. Es hatte Unglück gebracht ...
    »Nein, lieber nicht!« Gwyneiras Finger verkrampften sich um die Leinen.
    Glorias Gesicht verschloss sich. Sie sprach kein Wort mehr, bis sie die Ställe erreichten. Als einer der Viehhüter die Frauen im Stall begrüßte, wäre sie am liebsten in ein Mauseloch verschwunden.
    »Lassen Sie mich abschirren, Miss Gwyn! Miss ... Gloria?«
    Der Mann war noch jung, ein Weißer. Er hatte Gloria als Kind nicht gekannt. Beim Anblick der jungen Frau in dem schicken Hosenrock – bislang hatte er wohl nie eine Dame so gekleidet gesehen – weiteten sich seine Augen. Gwyneira sah Faszination und Bewunderung, Gloria nur nacktes Begehren.
    »Vielen Dank, Frank!«, sagte Gwyn freundlich und übergab ihm die Zügel. »Wo steht denn die kleine Princess, Frank? Miss Gloria möchte sie gleich sehen, es war ihr Kinderpony. Heute ist sie natürlich zu groß dafür.«
    »Im Paddock hinter den Ställen, Miss Gloria!« Frank Wilkenson wies beflissen auf den hinteren Ausgang der Ställe. »Wenn Sie möchten, kann ich sie Ihnen gern einfahren. Vor einem leichten Gig würde sie eine gute Figur machen.«
    Gloria sagte nichts.
    »Sie kutschieren doch auch, oder, Miss Gloria?«
    Gloria warf Gwyneira einen mürrischen Blick zu.
    »Nein«, sagte sie kurz.
     
    »Auf den hast du aber Eindruck gemacht«, versuchte sich Gwyneira an einer Neckerei, als sie ihre Urenkelin durch den Stall führte. Irgendwie musste sich die Missstimmung doch ausgleichen lassen. »Er ist ein netter junger Mann und sehr geschickt mit den Pferden. Ich würde über sein Angebot nachdenken. Princess wäre ein gutes Fahrpferd. Zu dumm, dass ich nicht längst selbst daran gedacht habe.«
    Gloria schien etwas erwidern zu wollen, überlegte es sich dann aber anders und folgte ihrer Urgroßmutter schweigend. Ihr Gesicht hellte sich erst wieder auf, als sie die zierliche Fuchsstute neben den anderen Pferden im Auslauf sah.
    »Prinzessin, Süße ...«
    Princess erkannte ihre frühere Herrin natürlich nicht. Nach acht Jahren wäre das zu viel verlangt gewesen, und Gloria wusste das auch. Sie nahm es dem Tier nicht übel, schlüpfte aber unter dem Zaun durch und ging auf die Stute zu, um sie zu streicheln. Princess ließ das zu und rieb sogar kurz ihren Kopf an Glorias Schulter.
    »Ich werde dich morgen putzen«, sagte Gloria lächelnd. Sie verstand den Wink. Der Stute juckte das Fell, und sie schien ein Mensch zu sein, der Zeit für sie hatte.
    Gloria behielt das Strahlen

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