Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Ruf der Kiwis

Der Ruf der Kiwis

Titel: Der Ruf der Kiwis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Lark
Vom Netzwerk:
betraten. Gwyneira hatte nichts im Zimmer verändert. Noch immer zierten Pferdebilder die Wände, die letzte Fotografie von Gloria mit Princess, kindlich ungeschickte Zeichnungen und ein paar naturkundliche Abbildungen der heimischen Flora und Fauna, die noch von Lucas stammten, Gwyneiras erstem Mann.
    »Du siehst, wir haben dich immer erwartet«, sagte Gwyneira steif, aber Glorias Gesicht verzog sich erst zu einem Lächeln, als sie Maramas Geschenk auf dem Bett liegen sah. So oft hatte sie dort hastig ihre Reithosen hingeworfen, um sich zum Abendessen wieder »in ein Mädchen zu verwandeln«, wie Jack es nannte. Und nun lagen da nagelneue Breeches, im alten, einfachen Schnitt von Marama geschneidert.
    Gwyneira versuchte, das Lächeln zu erwidern. »Vielleicht suchst du dir ja morgen doch ein Pferd aus?«, fragte sie scheu.
    Das Strahlen in Glorias Augen erlosch.
    »Vielleicht«, sagte sie.
    Gwyneira war fast froh, die Tür hinter ihr schließen zu können.
     
    Gloria ging einmal durch das Zimmer, betrachtete all die Bilder an den Wänden, den abgetretenen bunten Teppich, die Jadestückchen und bunten Steine, die sie gemeinsam mit Jack gesammelt hatte ...
    Schließlich warf sie sich aufs Bett, Nimue in den Armen, und weinte. Als ihre Tränen endlich versiegten, stand die Sonne schon hoch am Himmel.
    Sie war angekommen. Sie war auf Kiward Station.
    Gloria wusste, dass sie sich eigentlich freuen sollte. Die Zeit der Trauer war vorüber. Aber sie verspürte keine Freude.
    Was sie empfand, war nichts als Zorn.
     

3
    Die Idee einer heimlichen Hochzeit war ein wunderbarer Traum, und Lilian und Ben schmückten ihn immer mehr aus. Zu Lilian drang nichts mehr durch, was ihre Eltern beschäftigte, weder die Geschehnisse um den Krieg noch Glorias Rückkehr. Sie ging ganz in ihrer Liebe zu Ben und der Planung ihrer Flucht auf und zögerte auch nicht bei dem Gedanken an deren Realisierung. Ben dagegen teilte ihre Fantasien, ohne wirklich daran zu glauben. Bis sich an einem eiskalten Abend im Frühling die Ereignisse überstürzten.
    George Greenwood war wieder einmal in der Stadt und hatte gemeinsam mit Tim und Matt Gawain beschlossen, die Pläne zum Bau der Kokerei endlich öffentlich zu enthüllen. Schon jetzt wurde über das Bauvorhaben gemunkelt. Der Grundstein war gelegt, und es war kaum möglich, dass den Lamberts noch irgendjemand in Greymouth zuvorkam. Allerdings, darüber war sich Tim im Klaren, konnte es die anderen Bergwerkseigner verstimmen, wenn das Geheimnis zu lange gewahrt blieb. Die Männer waren also übereingekommen, die Billers, den Verwalter der Blackball-Mine und andere wichtige Leute zu einem feierlichen Essen in eins der besseren Hotels am Strand einzuladen. Dort wollte man dann großartig verkünden, dass allen Minen von Greymouth demnächst die Möglichkeit offen stünde, ihre Kohle direkt vor Ort zu Koks verarbeiten zu lassen. Die Meinungen dazu wären wahrscheinlich geteilt. Die Besitzer der kleineren Minen durften erfreut sein, Florence Biller würde sich eher ärgern, nicht selbst den Mut und das Geld zur Expansion aufgebracht zu haben. Für die Lambert-Mine würde die Investition zweifellos zu einer Goldgrube.
    Für Lilian Lambert und Ben Biller war der Abend aus anderen Gründen ein Meilenstein. Zum ersten Mal seit einem Jahr wagten es ihre Eltern, sie auf gesellschaftlichem Parkett zusammenzubringen. Ben begleitete seine Mutter, da Caleb sich wieder einmal drückte, und Lilian spielte nach wie vor Chauffeuse. George Greenwood hatte ausdrücklich darum gebeten, seine reizende Reisebegleiterin möge ihm diesmal als Tischdame beigesellt werden.
    »Na, wie sieht es denn nun aus mit deinem Herzen?«, neckte er sie gut gelaunt, als sie förmlich neben ihm Platz nahm. Sie trug ein neues, apfelgrünes Kleid, ihr erstes richtiges Abendkleid, und sah bezaubernd aus. Ben verschlang sie mit Blicken. »Hast du es vergeben, oder willst du doch lieber die Mine deines Vaters übernehmen?«
    Lilian wurde glühend rot. »Ich ... äh ... da gibt es schon jemanden!«, erklärte sie gewichtig. Onkel George hatte sie immer ernst genommen. Sicher würde er sich nicht so kindisch benehmen wie ihre und Bens Eltern, wenn er von ihrer Liebe wüsste. »Aber es ist noch ein Geheimnis!«
    George lächelte. »Dann wollen wir mal nicht daran rühren«, bemerkte er und beschloss im Stillen, später mit Elaine darüber zu reden. Sie hatte ihm irgendwann von Lilians und Bens Schwärmerei füreinander erzählt, war aber der

Weitere Kostenlose Bücher