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Der Ruf der Kiwis

Der Ruf der Kiwis

Titel: Der Ruf der Kiwis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Lark
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und wenn sie irgendetwas auseinandergenommen oder auch nur ertastet hatte, wischte sie sich die Hände achtlos an der Kleidung ab. Bei den Breeches auf Kiward Station war das kein Problem – die Viehhüter machten es schließlich genauso –, aber weiße Blusen und hellblaue Blazer waren für eine solche Behandlung nicht geschaffen.
    Sarah atmete auf, als sie endlich in die Bahn nach Cambridge stiegen. Das Landleben würde ihrer Schülerin besser zusagen; zumindest würde es nicht laut und hektisch zugehen. Nach Angaben Christophers war Sawston – der Ort, bei dem Oaks Garden lag – ein eher idyllisches Dörfchen. Sarah selbst sah dem Treffen mit ihrem Cousin mit Herzklopfen entgegen. Sie hatte ein Zimmer bei einer Witwe gemietet, die wohl als Stütze der Gemeinde galt, doch wenn sie ehrlich sein sollte, hoffte die junge Lehrerin auf eine Anstellung in Oaks Garden. Den McKenzies hatte sie nichts von ihrer Bewerbung erzählt, schon um Gloria keine Hoffnung zu machen. Aber insgesamt wäre es ihr viel lieber gewesen, Christopher nicht als mehr oder weniger mittellose Verwandte entgegenzutreten, sondern aus der Sicherheit einer festen Anstellung heraus. Natürlich hatte sie etwas gespart, und die McKenzies waren mehr als großzügig gewesen. Aber sehr viel Zeit zum persönlichen Kennenlernen ihres möglichen künftigen Gatten hatte sie nicht. Dabei traf Sarah ihre Entscheidungen lieber langsam und bedächtig. Ein Schuljahr wäre ideal, um zu einem endgültigen Entschluss zu kommen. Und in Sawston würde sie kaum Geld ausgeben. Sie könnte ihr Gehalt also sparen und im schlimmsten Fall nach Neuseeland zurückkehren, ohne den McKenzies ihr Scheitern einzugestehen. Schließlich wäre es ihr zu peinlich gewesen, das hochherzige Angebot anzunehmen, das Gwyneira ihr noch vor der Abreise gemacht hatte.
    »Wenn Ihre Erwartungen sich nicht erfüllen, Miss Bleachum, genügt ein Telegramm, und wir senden Ihnen das Geld für die Rückfahrt. Wir sind glücklich, dass Sie sich der Mädchen annehmen, das können wir gar nicht vergüten. Andererseits weiß ich aus eigener Anschauung nur zu gut, wozu solche beinahe erzwungenen Ehen führen.« Miss Gwyn hatte von ihrer Freundin Helen erzählt, der letztendlich nichts anderes übrig geblieben war, als den Mann zu heiraten, dessen Briefe sie ans andere Ende der Welt gelockt hatten. Glücklich war die Beziehung nicht geworden.
    Jetzt jedenfalls sah Sarah klopfenden Herzens zu, wie das Häusermeer Londons den Vorstädten und schließlich der lieblichen Landschaft Mittelenglands wich. Gloria wirkte sofort glücklicher, als sie die ersten Pferde auf grünen Weiden sahen, und Lilian war vor Aufregung sowieso kaum zu halten. Wobei wieder mal Miss Bleachums Liebesleben im Mittelpunkt stand. Sarah kam langsam zu dem Ergebnis, dass James McKenzies Neckereien gegenüber Elaine Lambert nicht ganz der Grundlage entbehrten. Lilian war zweifellos in einer sehr offenen Atmosphäre aufgewachsen. Es mochte stimmen, dass Barmädchen und Hotelbesitzerinnen zu Elaines engeren Freundinnen gehörten.
    »Für uns ist das ja nur eine neue Schule, Miss Bleachum«, plapperte Lilian jetzt. »Aber für Sie muss es sooo aufregend sein, Ihren Liebsten zu sehen! Kennen Sie 
Treest heygrowhigh?
 Darin heiratet das Mädchen den Sohn eines Lords. Aber er ist viel jünger als sie, und ... Wie alt ist eigentlich der Reverend?«
    Sarah seufzte und blickte besorgt auf Gloria. Die wurde schon wieder stiller, je näher sie Cambridge kamen. Dabei glich die Landschaft, durch die der Zug sie trug, eigentlich immer mehr den Canterbury Plains. Natürlich war alles kleiner; es gab keine endlosen Weiden, und die Schafpferche erschienen selbst Sarah, die keine Ahnung von Viehzucht hatte, eher handtuchgroß. Auch war die Gegend dichter besiedelt; immer wieder sah man Farmen und kleinere Cottages zwischen den Feldern und Wiesen. Große Herrenhäuser waren eher selten, aber die lagen vielleicht auch nicht so nah an der Bahnlinie. Gloria kaute an den Fingernägeln, eine Unart, die sie sich auf der Überfahrt angewöhnt hatte, doch Sarah mochte es nicht rügen. Dem Mädchen fielen die Veränderungen auch ohne Vorwürfe schwer genug.
    »Kann ich denn wohl Briefe schreiben, Miss Bleachum?«, fragte Gloria leise, als der Schaffner Cambridge als nächsten Halt ankündigte.
    Sarah strich ihr übers Haar. »Aber natürlich, Gloria. Du weißt doch, der Reverend und ich schreiben uns seit Jahren. Es dauert nur immer ein paar Wochen, bis sie

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