Der Ruf der Kiwis
verstehen?«
Sie erwartete keine besonderen Neuigkeiten, die hätte Elaine schon von sich aus berichtet. Schließlich informierte sie Gwyn auch in ihren Briefen regelmäßig über das junge Paar, und sie wusste von ihrem ersten Ururenkel, den Lilian aus unerfindlichen Gründen Galahad genannt hatte.
»Laut Calebs Quellen, also den Professoren an der Universität, geht es ihnen gut«, präzisierte Elaine. »Laut George Greenwoods Privatdetektiv geht es ihnen sehr gut.«
Gwyneira schüttelte verständnislos den Kopf und schnalzte den Cobs vor der Chaise zu. Es regnete ausnahmsweise einmal nicht, und Elaine bevorzugte eindeutig die Kutsche. Jeremy und Bobby ritten stolz auf zwei Pferden nebenher. Ansonsten hätte Elaine auch nicht so offen geredet. Sie hielt ihre Informationen über Lilian und Ben vor ihrem Mann und ihren Söhnen geheim – genau wie Caleb Biller vor seiner Familie. Dabei hatten beide ihre Informationsquellen. Caleb, immerhin selbst ein geachteter Völkerkundler, stand in Verbindung mit Bens Alma Mater, und Elaine erhielt zweimal im Jahr den Bericht einer Detektei, die George Greenwood für sie beauftragt hatte.
»Wo ist der Unterschied?«, fragte Gwyn.
»Na ja, die zwei sind ja gerade nach Wellington gezogen«, meinte Elaine. »Ben hat dort eine Dozentenstelle. Caleb platzt vor Stolz! Einen so jungen Mann stellen sie sonst allenfalls als Hilfskraft an. Ben war schon immer ein Überflieger – auch wenn ich ihm das nie angemerkt habe, aber das heißt ja nichts.«
Gwyneira lächelte.
»Und?«, fragte sie.
»Nun, eine Dozentenstelle bedeutet ein kleines Gehalt. Ben brauchte also nicht mehr im Hafen zu arbeiten oder was er sonst so getrieben hat, um die Familie zu ernähren. Er könnte sich eine kleine Wohnung leisten und sollte gerade so über die Runden kommen, sofern Lilian sparsam wirtschaftet. Oder noch ein paar Klavierstunden gibt.«
»Aber?« Gwyneira wurde ungeduldig.
»Aber tatsächlich sind sie in ein hübsches Haus mit Garten am Stadtrand gezogen. Ben gibt kleine Gesellschaften für seine Studenten, und am Vormittag fährt eine Nanny den kleinen Galahad spazieren. In einem sehr teuren Kinderwagen, meint der Detektiv. Lilian trägt hübsche Kleider, und wenn eine Theateraufführung oder ein Konzert ansteht, sind die Billers dabei.«
»Und wie finanzieren sie das?«, fragte Gwyn verblüfft.
»Das ist eben die Frage.« Elaine hielt ihren Hut fest, den der Fahrtwind wegzuwehen drohte. Die Cobstuten hatten es eilig. Die beiden Jungs hatten überholt und galoppierten vor ihnen her.
»Ich hoffe, dass Elizabeth Greenwood mir vielleicht mehr sagen kann. George hat den Detektiv wohl noch mal drauf angesetzt.«
»Vermutest du irgendwas Ungesetzliches?«, fragte Gwyneira besorgt. Sie selbst hielt so etwas stets für möglich, seit James sich damals als Viehdieb verdingt hatte.
Elaine lachte. »Kaum. Der Gedanke, dass Ben Biller Banken ausrauben könnte, ist mir ehrlich gesagt noch nie gekommen. Das würde ihn ja interessant machen. Aber nach allem, was ich über ihn gehört habe, ist er einfach nur ein netter Langweiler. Ganz der Vater. In der Schule ein Streber, als Poet hoffnungslos, als Geschäftsmann ungeeignet. Letztere Information stammt von Tim, der sich im Umfeld der Biller-Mine umgehört hat. Florence konnte ihn im Büro wohl keine drei Minuten allein lassen ...«
»Und was findet Lily dann an ihm so interessant?«, erkundigte sich Gwyneira. »Sie ist doch ein so lebhaftes Mädchen.«
»Den Reiz des Verbotenen!«, seufzte Elaine. »Wenn Florence und Tim sich nicht so unmöglich aufgeführt hätten, wäre wahrscheinlich alles ganz anders gekommen. Aber die beiden haben nicht mal was daraus gelernt, dass ihnen die Kinder weggelaufen sind! Was da zurzeit zwischen Lambert und Biller tobt, ist ein Krieg. Jeder versucht, dem anderen Geschäftsanteile abzuluchsen, sie vergrößern um die Wette. Florence hat sich für ihre eigene Kokerei total verschuldet und versucht jetzt, uns mit Dumpingpreisen Kunden abzuwerben. Und Tim würde den Wahnsinn mitmachen! Würde Greenwood ihn nicht energisch bremsen, gerieten die Preise in eine Abwärtsspirale. Aber Onkel George rät zum Abwarten. Die Kokerei von Biller ist zwar besser ausgelastet als unsere, arbeitet aber nicht rentabel. Auf die Dauer läuft sich das tot. Hoffen wir, dass Florence sich dabei nicht ruiniert. Und Tim und George denken an eine Brikettfabrik, um auch den letzten Kohlestaub gewinnbringend zu vermarkten. Wenn Florence dabei
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