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Der Ruf der Kiwis

Der Ruf der Kiwis

Titel: Der Ruf der Kiwis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Lark
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Forschungen angestellt, damit die Ergebnisse in Ihren Schubladen liegen. Es wäre sicher in ihrem Sinne, wenn sie anderen Wissenschaftlern und damit der Nachwelt zur Verfügung gestellt würden. Könnten Sie sich nicht dazu durchringen?«
    Jack zuckte die Schultern. »Wenn Sie meinen, dass jemand die Unterlagen haben will ... Soll ich sie Ihnen schicken?« Er schulterte seinen Seesack. Der Zug rollte endlich ein.
    Caleb Biller zögerte. »Ich bin nicht ganz der richtige Ansprechpartner«, bemerkte er. »Das ist eher etwas für eine ... na ja, mehr linguistisch-literarisch orientierte Fakultät. Ich selbst beschäftige mich mit Kunst und Musik der Eingeborenen, verstehen Sie?«
    Jack verstand zwar, fand es aber wenig hilfreich. »Also, Mr. Biller, ich muss gleich einsteigen. Sagen Sie mir, was Sie auf dem Herzen haben. An wen soll ich die Sachen schicken?«
    »Im Grunde an eine beliebige Universität ...«
    »Mr. Biller! An welche?« Caleb Billers unbestimmtes Verhalten machte Jack rasend. Der Mann wollte die Schriften offensichtlich irgendeiner bestimmten Fakultät zuspielen, konnte sich aber nicht überwinden, offen zu reden.
    »Vielleicht ... Wellington? Die haben gerade eine Dozentur geschaffen, die ...« Caleb Biller trat von einem Fuß auf den anderen.
    Jack nickte. »In Ordnung, Mr. Biller. Wellington. Sobald ich die Zeit finde, das Material zu sichten, geht es ab. Gibt’s einen bestimmten Adressaten?«
    Biller lief tatsächlich rot an. »Ich wollte Sie eigentlich bitten ... also, es ist doch sicher sehr viel Papier. Und ... vielleicht würde die Universität lieber jemanden schicken, der es selber sichtet ...«
    Der Mann wollte irgendeinen bestimmten Dozenten der Universität Wellington nach Christchurch locken. Jack fragte sich, was er sich davon versprach. Aber dann fiel ihm ein anderer Zusammenhang ein, in dem er den Namen Biller schon mal gehört hatte.
    »Sagen Sie, ist Ihr Sohn nicht mit meiner Großnichte Lilian durchgegangen?«
    Billers Gesicht nahm die Farbe einer überreifen Tomate an.
    »Dieser Junge, der polynesische Dialekte vergleicht oder so was?«
    Biller nickte. »Mein Sohn könnte die Aufzeichnungen Ihrer Gattin mehr würdigen als jeder andere«, rechtfertigte er sich. Wahrscheinlich widersprach es irgendwelchen akademischen Glaubensgrundsätzen, Verwandten interessante Forschungsprojekte zuzuschanzen.
    Jack grinste. »Zweifellos. Und vielleicht ließe sich mit einer Sichtung des Materials durch Ihren Sohn auch ganz nebenbei eine kleine Familienzusammenführung verbinden.«
    Biller biss sich auf die Lippen. »Ich hab’s Elaine noch nicht gesagt«, meinte er. »Geschweige denn meiner Frau und Tim Lambert. Die wissen ohnehin nichts von den Kindern. Ehrlich gesagt, kam mir der Gedanke überhaupt erst gestern, als ich hörte, dass Sie da sind. Aber es ist wirklich nicht nur eigensüchtig gedacht, Mr. McKenzie. Die Forschungen Ihrer Frau ...«
    Jack setzte nun endgültig den Fuß auf die Plattform.
    »Ich schreibe nach Wellington. Versprochen«, sagte er freundlich. »Sobald ich mich aufraffe ... Sie werden verstehen, dass ich das Material zunächst selbst durchsehen muss.«
    Caleb hob die Hand zum Gruß. »Ich danke Ihnen, Mr. McKenzie. Und ich hoffe, dass Sie bald Zeit finden ...«
    Jack zwang sich zu einem Lächeln. Zeit war nicht das Problem. Das Problem bestand darin, Charlottes Zimmer zu betreten, ihren Duft einzuatmen und die Dinge zu berühren, die sie berührt hatte. Aber Caleb hatte Recht. Es musste sein. Charlotte hätte es so gewollt. Sie wünschte sich kein Mausoleum ... Jack spürte einen Schmerz in seiner Brust und sah plötzlich die Pharaonengräber in Ägypten vor sich. Seelen, eingemauert mitsamt einer Vielzahl weltlicher Güter, angekettet im Diesseits, weit fort von Hawaiki. Charlotte hätte das gehasst. Jack beschloss, sich ihre Zimmer gleich am kommenden Tag vorzunehmen.
     
    Mit dem Auto nach Kiward Station zurückzufahren nahm noch einmal fast den ganzen Tag in Anspruch. Es wäre schneller gegangen, aber Jack vertraute der Technik nicht ganz und scheute sich, das Gaspedal durchzutreten. Angespannt und todmüde erreichte er schließlich am Nachmittag die Farm, fuhr den Wagen in die Remise und beschloss, den Hintereingang zu nehmen. Wenn er es schaffte, seiner Mutter aus dem Weg zu gehen, konnte er bis zum Abendessen noch zwei Stunden schlafen. Dann würde er eher bereit sein, von der Hochzeit zu erzählen – und Gloria gegenüberzutreten.
    Letztere sah er jedoch gleich im

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