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Der Ruf der Kiwis

Der Ruf der Kiwis

Titel: Der Ruf der Kiwis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Lark
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Corral bei den Ställen. Der abgeschlossene Zirkel wurde zur Pferde-und auch schon mal zur Hundeausbildung benutzt. Gloria belegte ihn mit einem vielleicht sechs Monate alten Collie, einem Hund aus dem gleichen Wurf wie Tuesday und Shadow.
    »Sitz!«, befahl sie mit schon leicht ungeduldiger Stimme, und Nimue, die außerhalb des Zirkels wartete, nahm artig Platz. Der kleine Hund stand jedoch nach wie vor schwanzwedelnd vor Gloria, sah sie eifrig an, machte aber keine Anstalten, sich hinzusetzen, obwohl sie am Halsband zog.
    »Sitz!«
    Gloria fiel das wirre Haar ins Gesicht, als sie sich zu dem Welpen hinunterbeugte. Seit sie die Maoris verlassen hatte, trug sie keine Stirnbänder mehr, sondern versuchte, ihre Locken durch Haarspangen zu bändigen. Das war allerdings hoffnungslos. Jack sah, wie sie um Fassung rang. Sie wusste, dass sie im Umgang mit Tieren nie die Geduld verlieren durfte, aber in ihrem Gesicht stand pure Frustration. Für Jack sah sie sehr jung aus – und sehr hübsch. Ihr Eifer gefiel ihm, aber so, wie sie es anstellte, war es hoffnungslos.
    Jack trat näher. »Du gibst widersprüchliche Signale«, sagte er schließlich. »Er versteht nicht, was er soll.«
    »Aber mehr als zeigen kann ich es ihm doch nicht!«, meinte Gloria unglücklich. Sie drückte das Hinterteil des Welpen jetzt mit der Hand auf den Boden, aber er stand wieder auf, sobald sie ihn losließ. »Und Nimue habe ich es damals auch beigebracht. Vielleicht ist er einfach dumm ...«
    Jack lachte. »Das lass mal deine Großmutter nicht hören! Ein dummer Kiward Collie, das wäre ja so, als käme hier ein kariertes Schaf zur Welt. Nein, es liegt an dir, du hast die Technik verlernt. Hier, schau mal.«
    Jack schlüpfte zwischen den Balken durch, die den Corral begrenzten, und begrüßte den kleinen Hund mit einem freundlichen Klopfen. Dann nahm er die Leine und zupfte daran, wobei er einen kurzen Befehl gab. Das Hinterteil des Welpen plumpste auf den Boden.
    »Das gibt’s nicht!«, seufzte Gloria. »Warum tut er’s nicht für mich?«
    »Du machst einen kleinen Fehler«, erklärte Jack. »In dem Moment, in dem du den Befehl und den Impuls mit der Leine gibst, beugst du dich zu dem Hund hinunter. Er kommt dir dabei schwanzwedelnd entgegen. Was gut ist. Viel schlimmer wäre es, wenn er Angst vor dir hätte und rückwärts wegwollte. Aber auf den Gedanken, sich hinzusetzen, statt mit dir zu schäkern, kommt er auf keinen Fall. Nun sieh mal, wie ich es mache ...«
    Gloria beobachtete fasziniert, wie Jack seinen Oberkörper aufrichtete, während er dem Hund den Befehl zum Hinsetzen gab. Der Welpe schaute dabei zu ihm auf, hob den Kopf – und plumpste auf sein Hinterteil.
    »Lass mich mal!« Gloria ahmte Jacks Haltung nach, zupfte geschickt an der Leine – und der Collie saß. Beide, Gloria und Jack, lobten ihn überschwänglich.
    »Siehst du?« Jack lächelte. »Kein dummer Hund, nur ...«
    »Nur eine dumme Gloria. Ich mach nie was richtig. Ich glaube, ich geb’s auf.« Gloria wandte sich ab. Gewöhnlich hätte sie sich nie zu diesen Worten hinreißen lassen, aber dieser Tag hatte sie wieder mal an ihre Grenzen getrieben.
    Am Morgen war Tonga mit wichtiger Miene bei Gwyneira erschienen und hatte sich über ein paar Schafe auf dem heiligen Grund der Maoris beschwert. Tatsächlich hatten die Tiere nur die Grenze nach O’Keefe Station überschritten und fraßen jetzt auf einem Gelände, auf dem Howard O’Keefes Schafe jahrzehntelang geweidet hatten, meist gehütet von Maori-Hirten. Inzwischen gehörte das Land zweifellos dem Stamm, aber von »heilig« waren die Wiesen rund um den Bach weit entfernt.
    Tonga und seine Leute hätten die verirrten Tiere einfach zurücktreiben können, statt Ärger zu machen, und Gloria hatte ihm das auch gesagt. Grandma Gwyn hatte sie daraufhin rüde angefahren und dem Häuptling Recht gegeben – ein Vorgehen, das Gloria nicht verstand. Gwyneira und Tonga hatten einander in den Haaren gelegen, seit das Mädchen denken konnte, und früher hatte Grandma Gwyn ihre Position durchaus verteidigt. Zurzeit litt Kiward Station allerdings an starkem Personalmangel. Vor allem 
pakeha
 arbeiteten kaum noch auf den Schaffarmen. Die Glücksritter, die sich hier gewöhnlich verdingten, hatten sich in den Kriegsjahren eher dem ANZAC angeschlossen und waren dann in den großen Städten geblieben – sofern sie das Abenteuer überlebt hatten. Gwyneira war deshalb auf Maori-Viehhüter angewiesen. Wenn Tonga sich zu einem Boykott

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