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Der Ruf der Kiwis

Der Ruf der Kiwis

Titel: Der Ruf der Kiwis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Lark
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zwingen, sich der Sache anzunehmen. Aber auch dazu fehlte ihr die Energie. Sie hoffte eher auf Maakas junge Frau. Die hatte schließlich für Greenwood gearbeitet. Sie sollte sich mit Papierkram auskennen.
    »Miss Gwyn?«
    Gwyneira fuhr aus ihrem Schlummer – und fand sich zu ihrem Erschrecken einem leibhaftigen, voll bewaffneten Maori-Krieger gegenüber. Natürlich erkannte sie Tonga gleich auf den zweiten Blick, doch bevor sie ihn anfahren konnte, musste sie ihr wild pochendes Herz beruhigen.
    »Tonga? Was zum Teufel machst du hier?«
    »Es ist weniger euer Teufel als die Geister unserer Toten, die mich herführen«, sagte Tonga mit dunkler Stimme.
    Gwyneira fühlte alten Zorn in sich auflodern. Was bildete dieser impertinente Kerl sich ein, mit seinem Clan in ihr Haus einzubrechen und sie zu Tode zu erschrecken?
    »Wer immer dich herführt – er konnte in Ruhe abwarten, bis Kiri oder Moana dich angemeldet haben! Es ist eine Frechheit, sich hier einfach aufzubauen und ...«
    »Miss Gwyn, unser Anliegen ist dringend!«
    Gwyneiras Augen blitzten.
    Tonga und seine Leute füllten ihr gesamtes kleines Büro, das in einem ehemaligen Empfangszimmer eingerichtet war. Die Krieger wirkten lächerlich deplatziert zwischen den zierlichen hellen Lackmöbeln, aber sie waren weit davon entfernt, Gwyneira einzuschüchtern.
    »So? Wie kommt’s? Besteht die Möglichkeit, die Geister wieder zum Leben zu erwecken, indem ihr alte Frauen erschreckt?« Gwyneira war ernstlich wütend.
    Tonga verzog unwillig den Mund. »Lästern Sie nicht! Aber es tut mir natürlich leid, dass ich Sie geweckt habe.« Tongas britische Erziehung brach wieder durch. Sechs Jahre Schule bei Helen O’Keefe hatten ihn Manieren gelehrt, die sich nicht ohne Weiteres abstreifen ließen.
    Gwyneira richtete sich würdevoll in ihrem Schreibtischstuhl auf, griff nach einem Federhalter und mimte die mit wichtigen Dingen beschäftigte Geschäftsführerin der Farm.
    »Wie auch immer, Tonga ...«
    »Chief«, erinnerte Tonga sie an die förmliche Anrede.
    Gwyneira verdrehte die Augen. »Wie kommt es bloß, dass ich immer den barfüßigen Hosenmatz vor mir sehe, der mich damals um Süßigkeiten anbettelte, als ich nach Kiward Station kam?«
    Die Männer hinter Tonga lachten.
    Tonga warf ihnen warnende Blicke zu.
    »Also schön, Chief. Was sagen die Geister?«, fragte Gwyneira mit allen Anzeichen von Ungeduld.
    »Sie verstoßen gegen die Abmachungen, Miss Gwyn. Die Schafe von Kiward Station entweihen die heiligen Stätten der Ngai Tahu.«
    Gwyneira seufzte. »Schon wieder? Tut mir leid, Tonga, aber wir haben zu wenig Gras. Die Tiere sind hungrig, und das macht sie erfinderisch. Wir können die Zäune gar nicht so schnell flicken, wie die Biester wieder heraus sind. Wo stecken sie diesmal? Wir schicken einen Mann hin und treiben sie zurück.«
    »Miss Gwyn, es geht nicht um ein paar Dutzend Ausbrecher. Es geht um Tausende von Tieren, die gezielt auf unser Land getrieben wurden.«
    »Euer Land, Tonga? Nach dem Beschluss des Gouverneurs ...« Gwyneiras Geduld war erschöpft.
    »Heiliger Boden, Miss Gwyn! Und ein Versprechen, das Sie gebrochen haben! Sie erinnern sich, dass Sie mir damals zugesichert haben ...«
    Gwyneira nickte. Tonga hatte sich seinerseits ein paar Gefälligkeiten ausgebeten, als er James’ Bestattung im Steinkreis erlaubt hatte. Kiward Station hatte Weideland in Hülle und Fülle, und Gwyn hatte gern versprochen, noch ein paar weitere, angebliche Maori-Heiligtümer unbehelligt zu lassen. In den letzten Jahren waren es allerdings immer mehr geworden.
    »Ich bin sicher, es war ein Versehen, Tonga«, seufzte sie. »Vielleicht irgendein neu angestellter Viehhüter ...«
    »Vielleicht Gloria Martyn!«, donnerte Tonga.
    Gwyneira runzelte die Stirn. »Hast du dafür irgendwelche Beweise?« Sie war zornig auf Tonga, aber wenn Gloria sich wirklich erlaubt hatte, ihre ausdrücklichen Anweisungen zu missachten ...
    Tonga sah sie kalt an. »Ich wette, Beweise lassen sich leicht erbringen. Fragen Sie nur mal in Ihren Ställen herum, bestimmt hat jemand etwas gehört und gesehen.«
    Gwyneira funkelte ihn an. »Ich werde meine Enkelin selbst fragen. Gloria wird mich nicht belügen.«
    Tonga schnaubte. »Gloria ist nicht gerade für ihre Gradlinigkeit bekannt. Ihre Taten widersprechen ihren Worten. Und sie kennt keinen Respekt vor 
mana

    Gwyneira lächelte böse. »Hat sie dir widersprochen? Das tut mir nun wirklich leid für dich. Und es war vor dem gesamten Stamm,

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