Der Ruf der Kiwis
züchtiges Ja hauchen würde. Oder begehrst du mich nicht mehr?«
»Es geht nicht um Begehren, Emily, es geht um meinen guten Ruf. Und um deinen, das solltest du nicht vergessen. Also, wirst du Sarah nun helfen?« Christopher versuchte verzweifelt, seine Erregung zu verbergen.
Emily nickte. »Ich werde das Beste aus dem Mäuschen machen. Wir sollten Sarah durch einen dicken Schleier verhüllen, nicht wahr?« Sie lachte wieder. »Schick sie nur so bald wie möglich her, ich kenne Mrs. Buster. Das Kleid wird völlig umgenäht werden müssen.«
Sarah erschien noch am selben Nachmittag und brach erneut in Tränen aus, als sie die Anprobe vor Mrs. Winters Spiegel wiederholte. Emily schlug die Augen gen Himmel. Auch noch eine Heulsuse! Aber sie würde ihr Versprechen halten. Kurz entschlossen befreite sie das Kleid von allem Tüll und sämtlichen Rüschen und verordnete Sarah, die sonst meist Schneiderkostüme trug und im Sommer gern zum weiten Reformkleid tendierte, ein enges Sans-Ventre-Korsett.
»Darin krieg ich keine Luft!«, stöhnte Sarah, doch Emily schüttelte den Kopf. »Ein bisschen Atemlosigkeit tut einer Braut ganz gut!«, behauptete sie. »Und das Korsett hebt Ihren Busen und betont Ihre Hüfte. Das brauchen Sie! Sie werden eine ganz andere Figur haben, glauben Sie mir!«
Tatsächlich schaute Sarah fasziniert in den Spiegel und sah zu, wie Mrs. Winter das nun schlichte Kleid körpernah absteckte, den Rock enger machte und das Dekolleté vergrößerte.
»Das ist zu offenherzig!«, protestierte Sarah, aber Emily kreierte einen Tülleinsatz, der das Kleid hochgeschlossen wirken ließ, die Aufmerksamkeit aber trotzdem auf Sarahs nun endlich erkennbaren Busen lenkte. Die junge Frau war merklich getröstet, als sie Emily schließlich verließ. Auf einem sehr schlichten Schleier hatte sie allerdings bestanden, während Mrs. Winter zu einer komplizierteren Kreation riet.
»Dann mache ich Ihnen aber wenigstens das Haar!«, erklärte Emily. »Es könnte sehr schön sein, wenn Sie es nicht immer so streng nach hinten kämmen würden ...«
Sarah erkannte sich selbst kaum wieder, als sie an ihrem Hochzeitstag vor dem Spiegel stand. Emily Winter war in letzter Minute mit dem Kleid fertig geworden, aber es saß nun wie angegossen. Natürlich konnte sich Sarah in dem Korsett kaum bewegen, doch der Anblick im Spiegel war unglaublich.
Lilian und Gloria konnten sich vor Begeisterung kaum halten.
»Vielleicht, wenn Sie auch für mich schneidern würden ...«, begann Gloria unsicher.
Beide Mädchen machten in ihren Brautjungfernkleidern nicht die beste Figur. Mrs. Buster hatte auf rosafarbenen Kleidern bestanden, und die bonbonartige Kreation stand nicht einmal Lilian. Die Farbe biss sich mit ihren roten Locken. Und Gloria machte sie wieder mal dick.
»Du musst noch ein bisschen wachsen«, meinte Mrs. Winter. »Du streckst dich noch. Ansonsten brauchst du weite Kleider. Diese Schärpe um die Taille dürfte nicht sein. Aber darüber machen wir uns jetzt keine Gedanken! Brautjungfernkleider müssen hässlich sein. Es geht ja nicht an, dass die Blumenmädchen die Braut ausstechen.«
Was in diesem Fall nicht schwierig wäre, überlegte Emily. Sie war zwar recht zufrieden mit ihrer Arbeit, aber es hätte ganz anderer Anstrengungen bedurft, aus Sarah Bleachum eine Schönheit zu machen. Das fing schon damit an, dass die weiße Farbe ihr nicht stand. Sie ließ ihre Haut blass und ihre Züge ausdruckslos wirken. Ein geschickt aufgesteckter Schleier hätte das verbessern können, aber Sarah hatte ja auf diesem schlichten Ding bestanden ...
Emily drapierte den Stoff so kunstfertig wie eben möglich um Sarahs Haar, das die junge Frau auch partout nicht offen tragen wollte. Emily hatte es jetzt etwas raffinierter aufgesteckt, und mit den bunten Sommerblumen darin – Lilian hatte sie gesammelt und einen Kranz gewunden – sah es recht hübsch aus.
Emily Winter hatte auf jeden Fall ihr Bestes getan. Und sie würde von Christopher ihren Lohn dafür einfordern.
Christopher Bleachum wartete in der Sakristei auf seine Braut. Er war glücklich, sich hier in Ruhe etwas sammeln zu können, bevor er diesen Schritt nun wirklich tat. Der Bischof plauderte draußen mit seinen Schäfchen, und Sarah wurde wohl noch von den Frauen hergerichtet. So etwas konnte dauern. Christopher lief nervös hin und her.
Plötzlich hörte er die Tür der Seitenpforte, die vom Friedhof in einen Vorraum der Sakristei führte. Der Reverend pflegte hier
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