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Der Ruf der Kiwis

Der Ruf der Kiwis

Titel: Der Ruf der Kiwis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Lark
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Im Grunde freute sie sich, nach Hause zurückkehren zu können. Wenn nur Gloria nicht gewesen wäre.
    »Deine Großmutter muss mir nicht ›erlauben‹, nach Neuseeland zurückzukehren, Schäfchen«, beschied sie dem Mädchen nun freundlich, aber bestimmt. »Wo ich leben möchte, bestimme ich ganz allein. Aber sie hat mir versprochen, die Reise zu bezahlen, wenn sich meine ... äh ... Hoffnungen hier nicht erfüllen. Und das wird sie halten, sie hat es bereits bestätigt.«
    Tatsächlich hatte Gwyneira McKenzie Sarahs Telegramm gleich am selben Tag erhalten – Andy McAran brachte es aus Haldon nach Kiward Station – und ihr sofort durch Greenwood Enterprises Geld anweisen lassen. Sarah würde in den nächsten Tagen nach London reisen und dann das erste Schiff nach Lyttelton oder Dunedin nehmen. Aber erst musste sie es Gloria sagen. Schweren Herzens bestellte sie eine Droschke nach Oaks Garden und schritt hocherhobenen Hauptes an den säuerlich blickenden Lehrerinnen und Hausmüttern vorbei.
    Wie erwartet war Gloria untröstlich.
    »Können Sie nicht wenigstens in England bleiben?«, fragte sie verzweifelt. »Vielleicht würde sogar Miss Arrowstone Sie anstellen ...«
    Sarah schüttelte den Kopf.
    »Nach dem, was geschehen ist, Glory? Nein, das ist unmöglich. Stell dir nur vor, ich müsste Christopher bei jedem Sonntagsgottesdienst begegnen ...«
    »Aber wird der Reverend denn nicht versetzt?«, fragte Gloria. »Lily meint, er müsste rausgeworfen werden.«
    Sarah fragte sich, was die Mädchen gehört oder vielleicht sogar gesehen hatten. Sie waren in der Nähe der Sakristei gewesen, und sie hatten Sarah fliehen sehen. Zumindest die neugierige Lily mochte daraufhin gleich nachgesehen haben, was geschehen war. Möglicherweise waren auch beide Mädchen dem Bischof gefolgt ... Aber ganz gleich, was Lilian Lambert erzählte und Gloria Martyn wusste: So wie es aussah, würde Christopher Bleachum seine Stellung nicht verlieren. Der Bischof mochte Zeuge seines unwürdigen Verhaltens gewesen sein, aber er würde ihn nicht vor der Gemeinde und der gesamten Kirchenführung bloßstellen. Selbstverständlich würde seine Rüge scharf ausfallen, aber die Schande der geplatzten Hochzeit blieb an Sarah hängen. Wahrscheinlich würde man ihre Flucht mit Torschlusspanik oder einem hysterischen Anfall erklären, während man den »armen Reverend« nach Kräften bedauerte.
    »Ich weiß nicht, was mit dem Reverend passiert, aber ich gehe jedenfalls fort«, sagte Sarah mit fester Stimme. »Ich wünschte, ich könnte dich mitnehmen, aber das geht nun einmal nicht. Und nun kommen doch auch bald deine Eltern, Glory. Dann wirst du dich besser fühlen ...«
    Gloria hatte da ihre Zweifel. Einerseits war sie gespannt auf ihre Eltern, andererseits fürchtete sie sich vor der Begegnung. Aber Liebe und Verständnis erwartete sie nicht.
    »Ich kann Grandma Gwyn auch erzählen, wie unglücklich du hier bist«, schlug Sarah halbherzig vor. »Vielleicht kann sie ja doch etwas tun ...«
    Gloria zog die Lippen zu einem Strich zusammen und straffte sich.
    »Machen Sie sich nicht die Mühe«, sagte sie leise.
    Gloria glaubte nicht mehr an Wunder. Niemand auf Kiward Station schien sie ernstlich zu vermissen, und Jack würde ganz sicher nicht kommen, um sie zu holen.
    Sie spielte mit dem Brief in ihrer Tasche, der am Morgen gekommen war. Gwyneira McKenzie erzählte in ihrem tatsächlich sehr sachlichen Briefstil von einer Hochzeit. Jack war jetzt mit Charlotte Greenwood verheiratet. Bestimmt würden sie bald Kinder haben. Und darüber würde er Gloria vergessen.
     
    »Es ist außerordentlich erfreulich, dass Sie gerade jetzt kommen!« Miss Arrowstone begrüßte William Martyn euphorisch – und das hatte sicher nichts mit dem Zeitpunkt seines Eintreffens zu tun. Stattdessen spielte eher sein Charme eine Rolle. Von wenigen Ausnahmen abgesehen war es William immer gelungen, Damen um den Finger zu wickeln. Die rundliche Rektorin schnurrte jetzt wie eine Katze und sah fast verliebt zu dem großen, gut aussehenden Mann auf. William Martyn war in mittleren Jahren, aber immer noch schlank und stattlich. In sein blondes, lockiges Haar schlich sich längst noch kein Grau ein, und das Leuchten seiner klaren blauen Augen und das Lächeln in seinem immer leicht gebräunten Gesicht machten ihn unwiderstehlich. Mit seiner dunkelhaarigen, exotisch anmutenden Gattin Kura bildete er ein auffallend schönes Paar. Miss Arrowstone fragte sich, wie zwei derart gut

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