Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Ruf der Kiwis

Der Ruf der Kiwis

Titel: Der Ruf der Kiwis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Lark
Vom Netzwerk:
an nassen Tagen Mantel und Stiefel abzulegen. Aber es war ein trockener Herbsttag und die Besucherin, die eben eintrat, trug nur ein apfelgrünes Festkleid und darüber einen dunkelgrünen Schal. Sie hatte das üppige Haar mit einer breiten Spange am Hinterkopf zusammengefasst und den Zopf zu schweren, großen Locken gedreht. Sie flossen weich über ihre Schultern. Ein keckes grünes Hütchen betonte ihre sattbraune Farbe.
    »Emily! Was machst du hier?« Der Reverend blickte erstaunt und leicht verstimmt auf ihre propre Erscheinung.
    Emily Winter musterte seine schlanke, aber kräftige Gestalt in dem eleganten schwarzen Gehrock, den er zur Hochzeit geliehen hatte.
    »Na, was wohl? Ich präsentiere dir die Früchte meiner Arbeit. Hier ...« Sie wandte sich dem kleinen Fenster der Sakristei zu und wies nach draußen. Man konnte eine Seite der Kirchentreppe gut überblicken, und Emily musste Sarah dort irgendwie geschickt platziert haben. Die junge Braut plauderte mit Gloria und Lilian, die beide wie Zwerge aus Zuckerguss wirkten. Sarah dagegen war völlig verändert. Christopher sah verblüfft auf ihre zarte, aber nicht gänzlich kurvenlose Figur in dem schlichten Satinkleid. Sarah schien sich aufrechter zu halten. Das in komplizierten Flechten aufgesteckte Haar ließ ihr Gesicht ein wenig voller wirken.
    »Gefällt sie dir?« Emily schob sich näher an Christopher heran.
    Er holte tief Luft.
    »Emily ... Mrs. Winter ... natürlich gefällt sie mir. Du ... Sie ... haben Wunder vollbracht ...«
    Emily lachte. »Nur ein paar Zaubertricks. Heute Abend wird die Prinzessin wieder zum Aschenputtel werden. Aber dann gibt es kein Zurück mehr.«
    »Das gibt es schon jetzt nicht!« Christopher versuchte, sich der Annäherung Emilys zu entziehen. Aber er tat es ungern. Er spürte Erregung in sich aufsteigen, den Reiz des Verbotenen. Was wäre, wenn er Emily jetzt noch einmal nähme? Hier, neben seiner Kirche, ein paar Yards vom Bischof entfernt ... und von Sarah.
    »Aber es ist nicht zu spät für ein paar schöne Erinnerungen«, lockte Emily. »Komm, Reverend ...« Sie sprach das Wort langsam und lasziv. »Mein Mann trinkt schon mal einen auf das Wohl des Brautpaars. Der Bischof segnet sämtliche Blagen des Dorfes, und deine Sarah tröstet ihre hässliche kleine Gloria darüber hinweg, dass sie aussieht wie ein fetter Flamingo. Niemand wird uns stören ...« Sie ließ ihren Schal sinken. Christopher hatte nur noch den Wunsch, in ihrem Fleisch zu versinken.
    »Komm, Christopher, noch ein einziges Mal ...«
     
    Sarah konnte sich nicht schlüssig werden. Sie sah so schön aus – zum ersten Mal in ihrem Leben! Sie meinte jetzt schon das Leuchten in Christophers Augen zu sehen, wenn sie zu ihm in die Kirche trat. Er würde ihre Verwandlung kaum glauben können. Er 
musste
 sie lieben, jetzt noch mehr als zuvor ...
    »Siehe, meine Freundin, du bist schön.« Das Hohelied würde eine ganz neue Bedeutung für ihn gewinnen und auch für Sarah. Denn sie war schön, die Liebe ließ sie erstrahlen.
    Wenn da bloß diese Brille nicht wäre! Sarah wusste, dass ihre Augen dahinter riesig und rund wie Kuhaugen wirkten und dass sie all die Zartheit ihrer Züge verdeckte. Sie wünschte sich, das Ding weglassen zu können. Aber damit beraubte sie sich natürlich des ersehnten Anblicks der strahlenden Augen ihres Geliebten vor dem Altar. Und sie würde den Trauring ertasten müssen ... Gloria hatte Recht, es konnte passieren, dass sie den Bischof glatt umrannte. Und das durfte nicht sein. Sarah wollte und konnte nicht blind durch ihre Hochzeitszeremonie stolpern. Ein paar Minuten ohne Brille, geführt von ihrem Liebsten, mochten angehen. Doch nicht die gesamte Zeremonie.
    Aber vielleicht ließ sich ja doch etwas machen. Christopher sollte sie zumindest einmal in voller Schönheit sehen, auch wenn das angeblich Unglück brachte. Sooo schlimm konnte es nicht sein, wenn er schon vor dem Eintritt in die Kirche einen Blick auf sie warf. Sie würde ihn einfach kurz in der Sakristei besuchen, ihm erzählen, wie fabelhaft Emily gearbeitet hatte – und vielleicht würde er sie ja küssen. Bestimmt würde er sie küssen, es konnte gar nicht anders sein! Sarah raffte Kleid und Schleier zusammen.
    »Ich bin gleich wieder da, Mädchen. Sagt das dem Bischof, wenn er fragt. Wir können in fünf Minuten anfangen. Aber jetzt muss ich ...« Sie rückte ihre Brille zurecht und eilte um die Kirche herum auf den kleinen Eingang zur Sakristei zu. Er war nicht

Weitere Kostenlose Bücher