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Der Ruf der Kiwis

Der Ruf der Kiwis

Titel: Der Ruf der Kiwis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Lark
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schüttelte fast unmerklich den Kopf.
    »Wie lange Ihre Frau noch leben wird, weiß nur Gott allein«, sagte der Arzt.
    »Es könnte sich also auch bessern?«, flüsterte Jack. »Der ... die ... Geschwulst könnte aufhören zu wachsen?«
    Professor Friedman hob die Augen zum Himmel. »Es liegt alles in den Händen des Ewigen ...«
    Jack atmete tief durch.
    »Wie ist es mit anderen Behandlungen, Professor Friedman?«, fragte er dann. »Gibt es Medikamente, die helfen können?«
    Der Arzt schüttelte den Kopf. »Ich kann Ihnen etwas gegen die Schmerzen geben. Eine Medizin, die zuverlässig wirkt, zumindest eine Zeitlang. Aber was sonstige Behandlungen angeht ... manche experimentieren mit seltsamen Essenzen, ich habe gehört, in den Staaten versucht es jemand mit Quecksilbergaben. Aber ich glaube nicht an all das. Am Anfang hilft es vielleicht ein bisschen, weil es den Patienten Hoffnung gibt. Aber auf die Dauer macht es sie eher kränker.«
    Charlotte erhob sich langsam. »Ich danke Ihnen sehr, Professor«, sagte sie sanft und drückte die Hand des alten Arztes. »Es ist besser, Bescheid zu wissen.«
    Professor Friedman nickte. »Denken Sie in Ruhe darüber nach, wie Sie weiter verfahren wollen«, sagte er freundlich. »Wie gesagt, ich rate Ihnen nicht zur operativen Behandlung, aber wenn Sie es trotzdem wagen wollen, könnte ich es versuchen. Ansonsten ...«
     
    »Ich möchte keine Operation«, erklärte Charlotte.
    Sie hatte das Haus des Arztes eng an Jack geschmiegt verlassen. Diesmal nahmen sie nicht die Straßenbahn, Jack hielt eine Pferdedroschke an. Charlotte lehnte sich in die Polster, als wolle sie darin versinken. Jack hielt ihre Hand. Sie sprachen kein Wort, bis sie ihr Hotelzimmer erreichten. Aber dann legte Charlotte sich nicht gleich hin, sondern sah aus dem Fenster. Das Hotel bot einen atemberaubenden Ausblick über den Hafen von Auckland. Waitemata – ein passender Name für diese natürliche Bucht, die den Schiffen Schutz vor den oft heftigen Pazifikstürmen bot.
    Charlotte blickte über das grünblau schimmernde Wasser.
    »Wenn ich das nicht mehr sehen könnte ...«, sagte sie leise. »Wenn ich die Bedeutung der Worte nicht mehr verstehen könnte ... Jack, ich will kein bewegungsloses Etwas werden und dir zur Last fallen. Das ist es nicht wert. Und diese ganze Operation ... Sie müssten mir das Haar scheren, ich wäre hässlich ...«
    »Du wärest niemals hässlich, Charlotte«, meinte Jack, trat hinter sie, küsste ihr Haar und blickte ebenfalls aufs Meer. Im Stillen fand er, dass sie Recht hatte. Auch er würde nicht mehr leben wollen, wenn er all die Schönheit um ihn herum nicht mehr wahrnehmen könnte. Und am meisten würde ihm der Anblick Charlottes fehlen. Ihr Lächeln, ihre Grübchen, ihre klugen braunen Augen.
    »Aber was wollen wir dann tun?«, fragte er mit verzweifeltem Trotz. »Wir können nicht einfach dasitzen und abwarten ... oder beten ...« Er sah sie unglücklich an.
    Charlotte lächelte. »Das werden wir auch nicht. Es hätte keinen Sinn. Die Götter lassen sich so schnell nicht erweichen. Da müssten wir sie schon überlisten wie Maui die Sonne ... und die Totengöttin ...«
    »Das war nicht sehr erfolgreich«, erinnerte Jack sich an die Legende. Der Maori-Halbgott hatte versucht, die Totengöttin zu besiegen, während sie schlief. Aber das Gelächter seiner Begleiter verriet ihn, und er starb.
    »Er hat es immerhin versucht«, meinte Charlotte. »Und wir versuchen es auch. Schau, Jack, ich habe jetzt die Medizin von Dr. Friedman. Ich muss keine Schmerzen mehr leiden. Also werden wir alles das tun, was wir uns vorgenommen hatten. Morgen fahren wir nach Waitangi. Und wir besuchen die örtlichen Maori-Stämme, bestimmt gibt es schon Legenden um den Vertrag ... bei den 
pakeha
 gibt es die schließlich auch.«
    Im Vertrag von Waitangi unterwarfen sich die Führer verschiedener Maori-Stämme der Oberhoheit der Britischen Krone. So ganz hatten die Häuptlinge allerdings nicht gewusst, was sie da unterzeichneten. 1840 konnte noch keiner der Eingeborenen lesen und schreiben. Insofern bestritten Maori-Führer wie Tonga, Gwyneiras Nachbar auf Kiward Station, immer wieder die Bindung der Ureinwohner an den Vertrag. Das galt besonders für Stämme wie die Ngai Tahu, deren Vertreter in Waitangi gar nicht zugegen waren.
    »Und dann möchte ich nach Cape Reinga, wenn wir schon auf der Nordinsel sind. Und nach Rotorua, da soll es noch Maori-Stämme geben, die kaum Kontakt zu

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