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Der Ruf der Kiwis

Der Ruf der Kiwis

Titel: Der Ruf der Kiwis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Lark
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den 
pakeha
 haben. Es wäre interessant, mit ihnen zu reden, zu hören, ob sie ihre Geschichten anders erzählen ...« Charlotte wandte sich zu Jack um. Ihre Augen leuchteten.
    Jack schöpfte wieder Hoffnung. »Genau das werden wir tun!«, erklärte er. »Das ist genau der Trick, den Maui anwenden würde: Wir werden diese Geschwulst in deinem Kopf einfach nicht beachten. Wir vergessen sie, und darüber wird sie verschwinden!«
    Charlotte lächelte matt.
    »Wenn wir nur daran glauben ...«, flüsterte sie.
     

5
    Lilian Lamberts Liebeskummer überdauerte die Abreise aus Oaks Garden nur wenige Tage. In London war sie noch schweigsam und gefiel sich in der Rolle der unglücklich Liebenden. In ihrer Fantasie sah sie Ben, wie er verzweifelt versuchte, etwas über ihren Verbleib herauszufinden, woraufhin er jahrelang suchte, bis er sie endlich fand. Sie dachte gerührt an all die Liebenden aus ihren Liedern und Geschichten, die sich aufgrund von Untreue oder Verlust des Liebsten selbst entleibten und dann mit einer weißen Taube auf der Brust bestattet wurden. In der Praxis hielt Lilian es allerdings für unwahrscheinlich, dass man so einen Vogel für sie auftrieb, mal ganz abgesehen davon, dass es ihr vor all den möglichen Todesarten gruselte. Insofern ergab sie sich dann auch recht schnell in ihr Schicksal und fand bald zu ihrem gewohnten, fröhlichen Selbst zurück. George Greenwood verdankte ihr – allen kriegsbedingten Sorgen zum Trotz, welche die Passagiere der 
Prince Edward
 wortreich miteinander teilten – die vergnüglichste Überfahrt seines Lebens. Lilian begleitete ihn und die anderen Passagiere fröhlich plappernd beim Flanieren an Deck. Neuseelandreisen waren längst keine gefährlichen Abenteuer mehr, sondern glichen zumindest für First-Class-Passagiere mondänen Kreuzfahrten. Sie regte Deckspiele an, die sonst wegen der eher depressiven Stimmung der Kriegszeit nur wenig frequentiert wurden, und war schon beim Frühstück gut gelaunt. George ließ die Depeschen, die ihn auch auf See über den Stand der Kriegshandlungen informierten, dann gerne sinken und befragte lieber Lilian nach ihren Träumen in der letzten Nacht und Plänen für die Zukunft. In diesen Plänen kam der Krieg natürlich nicht vor. Bis jetzt konnte Lilian sich nicht vorstellen, dass Menschen tatsächlich aufeinander schossen. In Liedern und Geschichten kam das natürlich vor – im Moment rankte ihre Lieblingsfantasie sich darum, dass Ben auf irgendeinem Kriegsschauplatz verloren ging, woraufhin Lilian sich in Männerkleidung aufmachte, ihn wiederzufinden – aber doch nicht im Europa des noch jungen 20. Jahrhunderts!
    »Ich weiß nicht, ob ich heirate ...«, meinte Lilian dramatisch. Bens Verlust mochte sie nicht gleich tödlich getroffen haben, aber ihr Herz sah sie zumindest vorerst als gebrochen an. »Die wahre große Liebe mag zu viel sein für eines Menschen Herz.«
    George Greenwood bemühte sich tapfer, ernst zu bleiben. »Wer hat sich denn das einfallen lassen?«, fragte er lächelnd.
    Lilian errötete leicht. Sie konnte kaum zugeben, dass die Feststellung zu den Gedichten gehörte, die Ben ihr im Anschluss an ihren ersten Kuss in jenem Wäldchen am Cam vorgetragen hatte.
    George ließ sich Kaffee nachschenken und dankte der Bedienung mit einem knappen Nicken. Lilian schenkte dem schmucken Steward ein Lächeln, das ihre Heiratsunlust eher unglaubwürdig machte.
    »Und was tust du stattdessen?«, erkundigte George sich interessiert. »Willst du ein Blaustrumpf werden, womöglich studieren, wie meine Charlotte es vorhatte?«
    »Bevor auch sie dem süßen Ruf des Herzens folgte?«
    George verdrehte die Augen. Er wusste nicht viel über Mädchenschulen mit künstlerisch-kreativem Anspruch, aber wenn derart schaurige Lyrik tatsächlich zum Lehrplan von Oaks Garden gehört hatte, konnte es mit der Qualität des Unterrichts nicht weit her sein.
    »Bevor sie ihren späteren Mann kennen lernte«, korrigierte George.
    »Und sie interessiert sich ja nach wie vor sehr für die Maori-Kultur. Hast du auch irgendein Fach, das dir besonders am Herzen liegt? Dem du besonderes wissenschaftliches Interesse entgegenbringst?«
    Lilian dachte nach. »Eigentlich nicht«, meinte sie dann und biss in eine Honigwecke. Das Dampfschiff schob sich zurzeit noch über den Atlantik, und der Seegang war ziemlich stark, aber das konnte ihren Appetit nicht beeinträchtigen. »Ich könnte Klavier unterrichten. Oder Malen. Aber im Grunde kann ich nichts

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