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Der Ruf Der Trommel

Titel: Der Ruf Der Trommel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
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daß du nicht -« Ich hielt inne, denn ich war mir nicht so sicher, ob er es nicht doch wollte. Stolz, Vorsicht oder auch beides mochten ihn bewogen haben, Jocastas Plan zu durchkreuzen, doch das hieß nicht unbedingt, daß er vorhatte, ihr Angebot zurückzuweisen.
    Er antwortete nicht, und mich durchfuhr ein leiser, kalter Schauer. Ich erzitterte trotz der warmen Sommerluft und nahm beim Weitergehen seinen Arm, um in dieser Berührung Beruhigung zu finden.
    Es war Ende Juli, und der Duft der reifenden Früchte hing so süß und schwer in der Luft, daß ich das reine, kühle Aroma der frischen Äpfel fast schmecken konnte. Ich dachte an die Versuchung - und den Wurm, der hinter einer glänzenden Schale verborgen lag.

    Versuchung nicht nur für ihn, sondern auch für mich. Für ihn war es die Chance, das zu tun, wozu er geboren und erzogen war, was ihm das Schicksal aber versagt hatte: ein großes Anwesen zu führen, die Verantwortung für die Menschen darauf zu tragen, seinen Ehrenplatz einzunehmen unter bedeutenden, ihm ebenbürtigen Männern. Was noch wichtiger war, er würde wieder Clan und Familie haben. Ich bin schon daran beteiligt , hatte er gesagt.
    Er machte sich nichts aus Reichtum um des Reichtums willen; das wußte ich. Und ich glaubte auch nicht, daß er nach Macht strebte; hätte er das gewollt, hätte er sich mein Wissen über die Zukunft zunutze gemacht und wäre nach Norden gegangen, um sich seinen Platz unter den Gründern einer Nation zu suchen.
    Doch er war schon einmal ein Gutsherr gewesen. Er hatte mir nur sehr wenig über seine Zeit im Gefängnis erzählt, doch eine Bemerkung war mir noch im Gedächtnis. Über die Männer, die mit ihm zusammen eingesperrt gewesen waren, sagte er - Sie waren mein. Und sie zu haben, hat mich am Leben erhalten. Und ich erinnerte mich an das, was Ian über Simon Fraser gesagt hatte: »Die Verantwortung für seine Männer ist jetzt seine einzige Verbindung mit anderen Menschen.«
    Ja, Jamie brauchte Menschen. Menschen, die er führen konnte, für die er verantwortlich war, die er verteidigte und an deren Seite er kämpfte. Nicht jedoch Menschen, die sein Eigentum waren.
    Immer noch schweigend, gingen wir am Obstgarten vorbei, dann den langen Weg durch die Blumenrabatten, wo es so durchdringend und betäubend nach Lilien, Lavendel, Anemonen und Rosen duftete, daß sich das bloße Gehen in der heißen, schweren Luft anfühlte, als stürzte man kopfüber in ein Meer aus Blütenblättern.
    Oh, River Run war ein Garten irdischer Freuden, kein Zweifel… doch ich hatte einen Schwarzen zum Freund gehabt und meine Tochter in seiner Obhut zurückgelassen.
    Der Gedanke an Joe Abernathy und Brianna gab mir das seltsame Gefühl, doppelt zu sehen, als existierte ich an zwei Orten gleichzeitig. Ich konnte ihre Gesichter vor mir sehen, ihre Stimmen in Gedanken hören, und dennoch war der Mann an meiner Seite, dessen Kilt bei jedem Schritt schwang, dessen Kopf in Gedanken gesenkt war, die Wirklichkeit.
    Und das war meine Versuchung: Jamie. Nicht die belanglosen weichen Betten und eleganten Räume, die Seidenkleider und die gesellschaftliche Bedeutung. Jamie.
    Wenn er Jocastas Angebot nicht annahm, mußte er etwas anderes
tun. Und »etwas anderes« war sehr wahrscheinlich William Tryons gefährlicher Lockruf - Land und Siedler. Auf gewisse Weise war das besser als Jocastas großzügiges Angebot; was er aufbaute, würde ihm gehören, das Erbe, das er Brianna hinterlassen wollte. Wenn er lange genug lebte, es aufzubauen.
    Ich lebte immer noch auf zwei Ebenen. Hier hörte ich seinen Kilt flüstern, wenn er meinen Rock streifte, spürte die feuchte Wärme seines Körpers, der noch wärmer war als die heiße Luft. Ich roch seinen Moschusduft, der in mir die Begierde weckte, ihn in das Blumenbeet zu zerren, seinen Gürtel zu öffnen und das Plaid auf seinen Schultern abzuwerfen, mein Mieder herunterzuziehen und meine Brüste an ihn zu pressen, ihn halbnackt und ganz erregt in die feuchten, grünen Pflanzen herabzuziehen und ihn mit Gewalt aus seiner Gedankenwelt in die meine zu entführen.
    Doch auf der Ebene der Erinnerung roch ich die Eiben und den Wind vom Meer, und meine Finger spürten nicht den lebendigen Mann, sondern den kalten, glatten Granit eines Grabsteins, der seinen Namen trug.
    Ich sagte nichts. Er schwieg ebenfalls.
    Wir hatten jetzt eine komplette Runde gedreht und waren wieder am Flußufer angekommen, wo graue Steinstufen in die Tiefe führten und in den glitzernden

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