Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Der Ruf Der Trommel

Titel: Der Ruf Der Trommel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
Vom Netzwerk:
einstellt, ganz zu schweigen von einem ordinären kleinen Alkoholrausch. Infolge dieser Kombination stand ich etwas wackelig auf den Beinen, nahm jedoch gleichzeitig die Dinge um mich herum intensiv wahr.
    Unter den Bäumen bei der Anlegestelle stand eine dekorative Bank, zu der Jamie mich jetzt führte, tiefer ins Dunkel hinein. Mit einem langen Seufzer sank er auf die Marmorbank, was mich daran erinnerte, daß auch er einen ereignisreichen Abend hinter sich hatte.

    Ich sah mich mit übertriebener Aufmerksamkeit um und setzte mich dann neben ihn.
    »Wir sind allein und unbeobachtet«, sagte ich. »Willst du mir jetzt vielleicht sagen, was zum Teufel hier vorgeht?«
    »Oh, aye.« Er richtete sich auf und streckte seinen Rücken. »Ich hätte dir eher etwas sagen sollen, aber ich hatte ja keine Ahnung, daß sie so etwas tun würde.« Er tastete nach mir und fand im Dunklen meine Hand.
    »Nichts Schlimmes, wie ich dir schon gesagt habe. Nur - als Ulysses mir das Plaid und den Dolch und die Brosche gebracht hat, hat er mir gesagt, Jocasta hätte vor, heute abend beim Essen zu verkünden - aller Welt mitzuteilen, daß sie mich zum Erben machen wollte von - dem hier.«
    Seine Geste umfaßte das Haus und die Felder hinter uns - und alles andere: die Anlegestelle am Fluß, den Obstgarten, die Gärten, die Stallungen, die endlosen, harzduftenden Kiefernwälder, die Sägemühle und die Terpentinanlage - und die vierzig Sklaven, die dort arbeiteten.
    Ich sah das Ganze vor mir, wie es zweifellos Jocastas Vision gewesen sein mußte: Jamie, der am Tisch präsidierte, in Hector Camerons Tartan gehüllt, angetan mit dessen Dolch und Brosche - jene Brosche mit der nicht gerade subtilen Beschwörungsformel der Camerons. »Eint Euch!« -, inmitten von Hectors alten Kollegen und Freunden, die alle nur darauf brennen würden, den jüngeren Verwandten ihres Freundes an seiner Statt willkommen zu heißen.
    Wenn sie dies vor den versammelten treuen Schotten verkündet hätte, die bereits einiges vom besten Whisky des verstorbenen Hector intus hatten, hätten sie ihn auf der Stelle als Herrn von River Run akzeptiert, ihn mit Wildschweinfett gesalbt und mit Bienenwachskerzen gekrönt.
    Es war ein typischer MacKenzie-Plan gewesen, dachte ich; kühn, dramatisch - und ohne Rücksicht auf die Wünsche der beteiligten Personen.
    »Und wenn sie es getan hätte«, sagte er und fing meine Gedanken mit schlafwandlerischer Sicherheit auf, »hätte ich es sehr schwierig gefunden, auf diese Ehre zu verzichten.«
    »Ja. Sehr.«
    Er sprang plötzlich auf, denn er war zu unruhig zum Stillsitzen. Ohne ein Wort streckte er mir die Hand hin, ich erhob mich, und wir kehrten auf dem Pfad durch den Obstgarten zurück und umwanderten die formalen Gärten. Die Laternen, die man für den Empfang angezündet
hatte, waren entfernt worden, die Kerzen ausgeblasen und sparsam zur späteren Verwendung verwahrt.
    »Warum hat Ulysses es dir gesagt?«
    »Frag dich doch selbst, Sassenach«, sagte er. »Wer ist jetzt der Herr von River Run?«
    »Oh?«, sagte ich, und dann, »oh!«
    »Oh, genau«, sagte er trocken. »Meine Tante ist blind - wer führt die Bücher und verwaltet den Haushalt? Sie entscheidet vielleicht, was getan werden soll - aber wer sagt, daß es getan wird? Wer ist immer an ihrer Seite, um ihr alles zu berichten, wessen Worte hat sie stets im Ohr, wessen Urteil vertraut sie mehr als dem aller anderen?«
    »Ach so.« Ich starrte nachdenklich zu Boden. »Aber du glaubst doch nicht, daß er in den Büchern herumgepfuscht oder ähnliche Gemeinheiten angestellt hat?« Ich hoffte, daß er das nicht getan hatte, denn ich mochte Jocastas Butler sehr und hatte den Eindruck gehabt, daß sie einander zugetan waren und sich gegenseitig respektierten - die Vorstellung, daß er sie kaltblütig betrog, gefiel mir gar nicht.
    Jamie schüttelte den Kopf.
    »Nein. Ich habe die Akten und Bücher durchgesehen, und es ist alles in Ordnung - sogar in sehr guter Ordnung. Ich bin mir sicher, daß er ein ehrlicher Mann und ein treuer Diener ist - aber er wäre kein Mensch, wenn er sich darüber freuen würde, seine Position einem Fremden überlassen zu müssen.«
    Er schnaubte kurz.
    »Meine Tante ist vielleicht blind, doch der Schwarze sieht sehr gut. Er hat mit keinem Wort versucht, mich davon abzubringen oder mich zu irgend etwas zu überreden: hat mir nur gesagt, was meine Tante vorhat, und es dann mir überlassen, was ich tun wollte. Oder auch nicht.«
    »Du meinst, er wußte,

Weitere Kostenlose Bücher