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Der Ruf Der Trommel

Titel: Der Ruf Der Trommel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
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vergessen, doch hatte ich nicht viel Hoffnung. Manchmal, wenn ich im Begriff war einzuschlafen, hörte ich den Höhlenwind und das nagende Echo des Gedankens, der ihm folgte: Wo noch?
    Wir kletterten einen dicht mit Moos und Flechten bewachsenen Granitvorsprung hoch, der von ständig fließendem Wasser befeuchtet wurde, und folgten dann dem Bett eines bergabfließenden Wildwassers, strichen das hohe Gras zur Seite, das an unseren Beinen zog, und wichen den tiefhängenden Zweigen des Berglorbeers und den dickblättrigen Rhododendren aus.
    Wunder taten sich zu meinen Füßen auf, kleine Orchideen und leuchtendbunte Pilze schimmerten zitternd und glänzend wie Geleefrüchte auf umgestürzten Baumstämmen. Libellen hingen über dem Wasser, unbewegliche Juwelen in der Luft, bis sie im Dunst verschwanden.
    Ich war benebelt von all dem Überfluß, all der Schönheit. Jamies Gesicht trug den traumverblüfften Ausdruck eines Mannes, der weiß, daß er schläft, aber nicht aufwachen will. Paradoxerweise wurde mir um so mulmiger, je besser es mir ging; ich war extrem glücklich - und von extremer Angst erfüllt. Dies war der richtige Ort für ihn, und sicherlich spürte er das genauso wie ich.
    Am frühen Nachmittag hielten wir an, um Rast zu machen und aus einer kleinen Quelle am Rand einer Lichtung zu trinken. Der Boden unter den Ahornbäumen war mit einem dichten Teppich aus dunkelgrünen Blättern bedeckt, zwischen denen es plötzlich rot aufblitzte.
    »Wilde Erdbeeren!« sagte ich entzückt.
    Die Beeren waren dunkelrot und winzig, ungefähr so groß wie mein Daumengelenk. Gemessen an den Richtlinien des modernen Gartenbaus wären sie zu herb gewesen, fast bitter, aber zu einer Mahlzeit aus halbgarem Bärenfleisch und steinharten Maiskuchen waren sie einfach köstlich - süße Nadelstiche auf meiner Zunge.
    Ich sammelte eine Handvoll nach der anderen in meinem Umhang, ohne mich an den Flecken zu stören - was war schon ein bißchen Erdbeersaft zwischen den Flecken von Kiefernpech, Ruß, Laub und schlichtem Dreck? Als ich fertig war, klebten meine Finger und rochen durchdringend nach Saft, mein Magen war angenehm voll, und von dem herb-sauren Geschmack der Beeren fühlte sich mein Mund
ganz rauh an. Dennoch konnte ich nicht widerstehen und nahm mir eine letzte Beere.
    Jamie lehnte sich mit dem Rücken an eine Platane, die Augen vor der blendenden Nachmittagssonne halb geschlossen. Die kleine Lichtung hielt das Licht wie eine Schale, hell und klar.
    »Was hältst du von diesem Ort, Sassenach?« fragte er.
    »Ich finde ihn wunderschön. Du nicht?«
    Er nickte und sah zwischen den Bäumen hinab, wo sich eine Wiese voll Timotheusgras bergab senkte und in einer Reihe von Weiden, die in der Entfernung den Fluß säumte, wieder anstieg.
    »Ich überlege«, sagte Jamie ein wenig verlegen. »Hier im Wald ist die Quelle. Die Wiese da unten -« Er deutete mit einer Handbewegung auf die Erlen, die den Bergkamm von dem grasbewachsenen Hang abschirmten. »Sie würde fürs erste für etwas Vieh reichen, und dann könnte man das Land am Fluß roden und bebauen. Die Steigung hier ist gut zur Entwässerung. Und hier, siehst du…« Hingerissen von seinen Visionen, stand er auf und zeigte mit dem Finger darauf.
    Ich sah genau hin - mir erschien die Stelle kaum anders als die steilen, bewaldeten Abhänge und grasbewachsenen Kuppen, die wir in den letzten paar Tagen durchwandert hatten. Doch unter Jamies erfahrenem Blick erhoben sich Häuser und Vorratsschuppen und Felder wie Zauberpilze im Schatten der Bäume.
    Er leuchtete förmlich vor Glück. Mir lag das Herz bleischwer in der Brust.
    »Du meinst also, wir sollten uns hier ansiedeln? Auf das Angebot des Gouverneurs eingehen?«
    Er sah mich an und hielt abrupt in seinen Spekulationen inne.
    »Das könnten wir«, sagte er. »Wenn-«
    Er brach ab und warf mir einen Seitenblick zu. Sonnenverbrannt, wie er war, konnte ich nicht erkennen, ob er nun von der Sonne oder aus Schüchternheit errötete.
    »Glaubst du an Vorzeichen, Sassenach?«
    »Was für Vorzeichen?« fragte ich vorsichtig.
    Statt einer Antwort bückte er sich, pflückte einen Trieb vom Boden und ließ ihn in meine Hand fallen - dunkelgrüne Blätter wie kleine, runde chinesische Fächer, eine reinweiße Blüte auf einem schlanken Stiel, und an einem anderen eine halbreife Beere mit purpurroter Spitze.
    »Das. Es gehört zu uns, verstehst du?« sagte er.
    »Uns?«
    »Zu den Frasers, meine ich«, erklärte er. Mit seinem

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