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Der Ruf Der Trommel

Titel: Der Ruf Der Trommel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
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den Atem an; Lord Ellesmeres Anstrengungen hatten den Inhalt des Abortes aufgewühlt, und der Geruch war stark genug, um mir die Nasenhaare wegzuätzen.
    »Er sagt, er sei nicht verletzt«, versicherte mir Jamie, indem er sich von dem Loch abwandte und sich eine Seilrolle von seiner Schulter hob.
    »Gut«, sagte ich. »Aber wo ist die Schlange?« Ich blickte nervös in
das Häuschen, konnte aber nichts sehen außer den silbrigen Zederbohlen und den dunklen Tiefen der Sickergrube.
    »Da lang«, sagte Ian mit einer vagen Geste auf den Pfad, den ich entlanggekommen war. »Der Junge bekam sie nicht vors Ziel, also habe ich dem Biest’nen kleinen Stups mit dem Stock verpaßt, und da ist es doch einfach auf mich losgegangen, geradewegs den Ast hoch! Es hat mir einen solchen Schreck eingejagt, daß ich losgebrüllt hab’ und mir der Ast hingefallen ist, und ich bin an den Jungen gestoßen und - na ja, so ist es passiert«, schloß er schwach.
    Er schlich näher an die Grube, wobei er darauf achtete, Jamies Blick auszuweichen, beugte sich vor und rief befangen: »Hallo! Ich bin froh, daß ich dir nicht den Hals gebrochen habe!«
    Jamie warf ihm einen Blick zu, der ganz deutlich besagte, daß, wenn hier ein Hals gebrochen wurde… enthielt sich dann aber im Interesse einer prompten Befreiung Williams aus seiner Oubliette weiterer Bemerkungen. Diese Prozedur wurde ohne weiteren Zwischenfall durchgeführt und der Möchtegern-Schütze aus der Grube gehoben, wobei er sich an den Strick klammerte wie einen Raupe an ihren Faden.
    Glücklicherweise war genug Jauche in der Grube gewesen, um seinen Aufprall zu dämpfen. Seinem Aussehen nach war der neunte Graf von Ellesmere mit dem Gesicht nach unten gelandet. Lord John stand einen Moment lang auf dem Pfad, wischte sich mit den Händen über seine Kniehosen und betrachtete das verkrustete Objekt vor sich. Er rieb sich mit dem Handrücken über den Mund, vielleicht, weil er versuchte, ein Lächeln zu verbergen, oder auch, um seinen Geruchssinn zu dämpfen.
    Dann begannen sich seine Schultern zu schütteln.
    »Was gibt’s Neues in der Unterwelt, Persephone?« sagte er, unfähig, das bebende Gelächter in seiner Stimme zu unterdrücken.
    Ein Paar schrägstehender Augen strahlte in blauer Mordlust aus der Schmutzmaske, die die Gesichtszüge Seiner Lordschaft verbarg. Es war ein durch und durch Fraser-typischer Ausdruck, und ich spürte, wie mich bei dem Anblick ein Schauer durchlief. Ian fuhr neben mir plötzlich zusammen. Er blickte schnell vom Grafen zu Jamie und zurück, fing dann meinen Blick auf, und sein Gesicht wurde vollständig und unnatürlich ausdruckslos.
    Jamie sagte irgend etwas auf Griechisch, worauf Lord John in derselben Sprache antwortete und beide Männer wie die Verrückten loslachten. Ich richtete meinen Blick auf Jamie und gab mir Mühe, Ian nicht zu beachten. Während seine Schultern noch vor unterdrückter Schadenfreude bebten, war er so freundlich, mich aufzuklären.

    »Epicharmus«, erklärte er. »Wer am Orakel von Delphi nach der Wahrheit suchte, der warf eine tote Python in die Grube und verweilte dann und atmete ihre Verwesungsdämpfe ein.«
    Lord John deklamierte mit ausladender Gestik. »›Der Geist himmelwärts, der Körper zur Erde.‹«
    William atmete heftig durch die Nase aus, exakt auf dieselbe Weise, wie Jamie es tat, wenn man seine Geduld auf eine allzu harte Probe stellte. Ian zuckte neben mir zusammen. Lieber Himmel, dachte ich, erneut aus der Fassung gebracht. Hat der Junge denn nichts von seiner Mutter?
    »Und hast du als Ergebnis deiner jüngsten m-mystischen Erfahrung irgendwelche spirituellen Einsichten erlangt, William?« fragte Lord John und machte einen mißlungenen Versuch, seine Selbstkontrolle wiederzuerlangen. Er und Jamie waren rot angelaufen vor Lachen, was meiner Meinung nach ihrer nachlassenden Nervosität nicht minder zuzuschreiben war als dem Brandy oder ihrer Ausgelassenheit.
    Seine Lordschaft zog unter vernichtenden Blicken sein Halstuch aus und schleuderte es mit einem Platschen auf den Weg. Jetzt kicherte auch Ian nervös, denn er konnte sich nicht mehr zusammenreißen. Meine Bauchmuskeln zitterten ebenfalls vor Anspannung, doch ich konnte sehen, daß die freiliegenden Hautstellen über Williams Kragen die Farbe der reifen Tomaten neben dem Abort angenommen hatten. Da ich nur zu gut wußte, was passierte, wenn ein Fraser diesen Grad der Weißglut erreichte, hielt ich den Zeitpunkt für gekommen, die Festivität zu

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