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Der Ruf Der Trommel

Titel: Der Ruf Der Trommel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
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schrie Dixon an. »Was? Werden wir gekapert?« Seine Worte ertranken in dem Geschrei von oben; dem Dampfpfeifengetöse der Frauen und Kinder, das das Gebell und Gefluche der Männer übertönte.
    Irgendwo an Deck flackerte rotes Licht auf. Brannte das Schiff? Er schob sich durch das Gedränge der Männer, ergriff die Leiter, langte nach oben und packte Dixons Fuß.
    »Weg!« Der Fuß riß sich los und trat nach seinem Kopf. »Bleibt da unten! Himmel, Mann, wollt Ihr Euch die Pocken einfangen?«
    »Pocken? Was zum Teufel ist da oben los?« Rogers Augen hatten sich inzwischen an die Dunkelheit gewöhnt, und er packte den tretenden Fuß und verdrehte ihn heftig mit einem Ruck nach unten. Dixon, der auf diesen Angriff nicht vorbereitet war, verlor seinen Halt auf der Leiter und fiel schwer zu Boden, wobei er über Rogers Kopf hinweg nach unten zwischen die Männer rutschte.
    Roger ignorierte die Aufschreie der Wut und Überraschung hinter ihm und kletterte auf das Deck. Eine Gruppe von Männern drängte sich dicht um die vordere Luke. Laternen hingen oben im Tauwerk und verbreiteten rote, weiße und gelbe Lichtblitze, die sich im Glanz vieler Klingen fingen.
    Er sah sich schnell nach einem anderen Schiff um, doch der Ozean war noch allen Seiten schwarz und leer. Keine Kaperer, keine Piraten;
einen Kampf gab es nur bei der Luke, wo sich die halbe Besatzung mit Messern und Knüppeln bewaffnet zu einem Knäuel zusammengedrängt hatte.
    Meuterei? dachte er und verwarf den Gedanken wieder, noch während er sich vorwärtsschob; Bonnets Kopf war über der Menge zu sehen; er trug keinen Hut, und sein blondes Haar glänzte im Laternenschein. Roger mengte sich zwischen den Pöbel, wobei er ohne Rücksicht kleinere Seeleute zur Seite boxte.
    Kreischen und Schreien hallte aus dem Frachtraum wider, und ein flackerndes Licht wies nach unten. Ein Lumpenbündel wurde heraufgereicht, schnell von Hand zu Hand gegeben und verschwand hinter der beweglichen Masse aus Gliedmaßen und Knüppeln. An Backbord ertönte ein lautes Klatschen, und dann noch einmal.
    »Was ist los, was geht hier vor?« Er bellte in das Ohr des Bootsmanns, der mit einer Laterne neben der Luke stand. Der Mann fuhr herum und starrte ihn an.
    »Ihr habt noch keine Pocken gehabt, oder? Hinunter mit Euch!« Hutchinson hatte seine Aufmerksamkeit bereits wieder der offenen Luke zugewandt.
    »Doch, habe ich! Was hat das mit…«
    Der Bootsmann fuhr überrascht herum.
    »Ihr habt Pocken gehabt? Ihr habt keine Narben. Ach, was soll’s - dann hinunter mit Euch, wir brauchen jede Hand!«
    »Wozu?« Roger beugte sich vor, um trotz des Lärms von unten gehört zu werden.
    »Blattern!« brüllte der Bootsmann zurück. Er wies auf die offene Luke, als einer der Seeleute an der Spitze der Leiter erschien. Unter dem einen Arm trug er ein Kind, das schwach um sich trat. Hände zerrten und schlugen auf den gebückten Rücken des Mannes ein, und die Stimme einer Frau erhob sich schrill vor Entsetzen über die anderen Geräusche.
    Sie fand Halt am Hemd des Seemanns und Roger sah zu, wie sie begann, am Körper des Mannes hochzuklettern und ihn zurückzuziehen, während sie darum kämpfte, an ihr Kind zu gelangen. Kreischend krallte sie sich an den Rücken des Mannes und grub sich mit ihren Händen in Stoff und Haut.
    Der Mann schrie und schlug nach ihr, um sie loszuwerden. Die Leiter war fixiert, doch der Seemann, der nur eine Hand benutzen konnte und das Gleichgewicht verlor, schwankte wild, und die Wut in seinem Blick verwandelte sich in Erschrecken, als seine Füße auf der Sprosse ausrutschten.

    Aus purem Reflex warf sich Roger nach vorn, und er fing das Kind wie einen Rugbyball, als der Seemann in einem letzten Versuch, sich zu retten, die Arme hochwarf. Ineinander verschlungen wie Liebende fielen Mann und Frau gemeinsam rückwärts in den offenen Schlund der Luke. Ein Aufprall und weitere Schreie erklangen von unten, dann folgte die plötzliche, vorübergehende Stille des Schreckens. Darauf begannen die Aufschreie von neuem, und um ihn herum setzte ein gemurmelter Wortwechsel ein.
    Roger hob das Kind hoch und versuchte, sein Wimmern mit einem ungeschickten Tätscheln zu beenden. Es schien merkwürdig schlaff in seinen Armen zu liegen, und es fühlte sich noch durch die Lagen seiner Kleidung hindurch heiß an. Licht blitzte über Roger hinweg, als der Bootsmann seine Laterne hochhielt und das Kind mit dem Ausdruck des Abscheus ansah.
    »Hoffe, Ihr habt die Pocken gehabt, MacKenzie«,

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