Der Ruf Der Trommel
Kopf. Es gab einen dumpfen Schlag, und Jamie fuhr zusammen und stöhnte.
O, Gott, sie haben auf ihn eingestochen! dachte ich, vor Schreck wie gelähmt. Ein weiterer dumpfer Schlag und ein lauteres Stöhnen kündeten allerdings nur von einem Tritt in die Rippen. Jamie bewegte sich nicht; er preßte sich nur fester gegen das Deck und drückte mich flach wie einen Sandwichbelag.
»Laß das! Roberts! Ich habe gesagt, laß ihn!« ertönte Bonnets Stimme, autoritär und scharf genug, um den dämpfenden Stoff zu durchdringen.
»Aber sie -«, begann Roberts, doch sein nörgelndes Gejammer endete abrupt in einem scharfen, kräftigen Klatschen.
»Erhebt euch, Mr. Fraser. Eure Frau ist sicher - nicht, daß sie das verdient hätte.« In Bonnets heiserem Bariton schwangen Belustigung und Verärgerung mit.
Jamie erhob sich langsam von mir, und ich setzte mich auf. Von dem Schlag auf den Kopf war mir schwindelig und ein bißchen übel. Stephen Bonnet stand da, sah auf mich herab und betrachtete mich mit einer Spur von Abscheu, als wäre ich ein räudiges Fell, das man ihm zum Kauf angeboten hatte. Neben ihm starrte mich Roberts böse an und betupfte eine Blutspur an seinem Haaransatz.
Schließlich kniff Bonnet die Augen zusammen und richtete den Blick auf Jamie, der wieder auf den Beinen war.
»Eine Närrin«, sagte Bonnet kalt, »aber das stört Euch wohl nicht.« Er nickte und ließ ein schwaches Lächeln sehen. »Ich bin dankbar für die Gelegenheit, Euch meine Schulden zurückzuzahlen, Sir. Ein Leben für ein Leben, wie die Bibel sagt.«
»Zurückzahlen?« sagte Ian aufgebracht. »Nach allem, was wir für Euch getan haben, plündert Ihr uns aus, legt Hand an meine Tante und meinen Hund und besitzt dann die Unverfrorenheit, von Rückzahlung zu sprechen?«
Bonnet fixierte Ian. Seine Augen waren grün, grün wie abgehäutete Trauben. Er hatte ein tiefes Grübchen in der einen Wange, als hätte Gott bei seiner Erschaffung einen Daumenabdruck dort hinterlassen, doch seine Augen waren so kalt wie Flußwasser in der Morgendämmerung.
»Na, du bist wohl nicht besonders bibelfest, was, Junge?« Bonnet schüttelte tadelnd den Kopf und schnalzte mit der Zunge. »Wem ein tugendsam Weib beschert ist, die ist viel edler denn Rubine und die köstlichsten Perlen.«
Er öffnete die Hand, immer noch lächelnd, und der Schein der Laterne brach sich in drei Edelsteinen: Einem Smaragd, einem Saphir und dem dunklen Feuer eines schwarzen Diamanten. »Ich bin sicher, daß Mr. Fraser meiner Meinung ist, nicht wahr, Sir?« Er ließ die Hand in seinen Rock gleiten und zog sie leer wieder hervor.
»Und schließlich«, sagte er und ließ seine kalten Augen noch einmal zu Ian wandern, »gibt es verschiedene Arten von Rückzahlungen.« Er lächelte, nicht besonders angenehm. »Obwohl ich denke, daß du noch zu jung bist, um das zu wissen. Sei froh, daß ich nicht in der Stimmung bin, dir eine Lektion zu erteilen.«
Er wandte sich ab und winkte seinen Kameraden zu.
»Wir haben, was wir wollten«, sagte er abrupt. »Kommt.« Er trat auf die Reling, sprang und landete grunzend auf dem schlammigen Ufer. Seine Helfershelfer folgten ihm, wobei Roberts mir einen giftigen Blick zuwarf, bevor er ungeschickt in die Untiefe und dann ans Ufer platschte.
Die vier Männer verschwanden augenblicklich im Unterholz, und ich hörte, wie schrilles Pferdegewieher sie irgendwo in der Dunkelheit begrüßte. An Bord war alles still.
Der Himmel hatte die Farbe von Holzkohle. In der Ferne ertönte schwaches Donnergrollen, und Blitze flackerten dicht über dem Horizont.
»Schweinehunde!«
Kapitän Freeman spuckte zum Abschied über Bord und wandte sich an seinen Maat.
»Hol die Staken, Eutroclus«, sagte er, schlurfte zur Ruderpinne und zog sich im Gehen die Hosen hoch.
Langsam regten sich die anderen und wurden wieder lebendig. Fergus zündete mit einem Blick auf Jamie die Laterne an und verschwand in der Kabine, wo ich hörte, wie er mit dem Aufräumen begann. Ian kauerte auf Deck. Sein dunkler Kopf war über Rollo gebeugt, während er den Hals des Hundes mit seinem zusammengeknüllten Hemd abtupfte.
Ich wollte Jamie nicht ansehen. Ich drehte mich um und kroch langsam zu Ian herüber. Rollo beobachtete mich argwöhnisch, beanstandete meine Gegenwart aber nicht.
»Wie geht es ihm?« sagte ich ziemlich heiser. Ich spürte den Ring als unangenehmes Hindernis in meiner Kehle und schluckte mehrmals krampfhaft.
Ian blickte sofort auf; sein Gesicht war bleich und
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