Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Der Ruf Der Trommel

Titel: Der Ruf Der Trommel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
Vom Netzwerk:
ihm umzudrehen, duckte ich mich in die Kabine, wo ich auf einen vierten Piraten prallte, der in der Tat in meiner Medizinkiste herumwühlte.
    Durch die Kollision stolperte ich zunächst rückwärts, doch dann ergriff ich mit einem Schrei der Empörung seinen Arm. Er hatte achtlos Schachteln und Fläschchen geöffnet, den Inhalt ausgeschüttet und sie zu Boden geworfen; ein Durcheinander von Flaschen, viele davon zerbrochen, lag zwischen den verstreuten Überbleibseln von Dr. Rawlings’ Arzneisammlung.
    » Wage es ja nicht, die anzufassen!« sagte ich, riß das nächstbeste Fläschchen aus der Kiste, zog den Korken heraus und schleuderte ihm den Inhalt ins Gesicht.
    Wie die meisten von Rawlings’ Mixturen enthielt er einen hohen Anteil an Alkohol. Er schnappte nach Luft, als ihn die Flüssigkeit traf, und taumelte mit tränenden Augen rückwärts.
    Das nutzte ich aus, indem ich eine Steingutflasche aus dem Scherbenhaufen ergriff und ihm damit auf den Kopf schlug. Sie landete mit
einem höchst zufriedenstellenden Geräusch, doch ich hatte nicht fest genug zugeschlagen. Er stolperte, blieb aber auf den Beinen und griff schwankend nach mir.
    Ich holte zum nächsten Schlag aus, doch jemand ergriff von hinten mit eiserner Faust mein Handgelenk.
    »Mit Verlaub, meine liebe Mrs. Fraser«, sagte eine vertraute irische Stimme höflich. »Aber ich kann es wirklich nicht zulassen, daß Ihr ihm den Schädel einschlagt. Es stimmt zwar, er ist nicht besonders dekorativ, aber er braucht ihn noch als Hutständer.«
    »Verfluchtes Miststück! Sie hat mich geschlagen !« Der Mann, den ich geschlagen hatte, hielt sich mit schmerzverzerrtem Gesicht den Kopf.
    Bonnet zerrte mich an Deck und hielt meinen Arm schmerzhaft hinter dem Rücken verdreht. Es war jetzt fast hell, der Fluß glänzte wie eine Silberplatte. Ich starrte unsere Angreifer durchdringend an, denn ich wollte sie erkennen, wenn ich sie wiedertraf, maskiert oder unmaskiert.
    Unglücklicherweise erlaubte die Dämmerung auch den Piraten bessere Sicht. Der Mann, den ich geschlagen hatte und der mir das sehr übelzunehmen schien, nahm meine Hand und drehte an meinem Ring.
    »Hier, gib mir den!«
    Ich entriß ihm meine Hand und setzte an, ihn zu ohrfeigen, wurde aber durch ein bedeutsames Husten aus Bonnets Richtung daran gehindert. Er hatte sich neben Ian gestellt und hielt dem Jungen die Pistole im Abstand von zwei Zentimetern an das linke Ohr.
    »Gebt sie ihm lieber, Mrs. Fraser«, sagte er höflich. »Ich fürchte, Mr. Roberts bedarf der Kompensation für den Schaden, den Ihr ihm zugefügt habt.«
    Ich zog mir den Goldring vom Finger, und meine Hände zitterten vor Furcht und Wut. Der Silberring ließ sich schwieriger entfernen; er blieb an meinem Fingerknöchel stecken, als wollte er sich nicht von mir trennen. Beide Ringe waren feucht und schlüpfrig vom Schweiß, und das Metall fühlte sich wärmer an als meine plötzlich kalten Finger.
    »Her damit.« Der Mann stieß mir grob gegen die Schulter und hielt mir dann seine breite, schmierige Handfläche entgegen. Ich steckte die Hand aus, widerstrebend, die Finger um die Ringe geschlossen - und dann schlug ich mir in einem unreflektierten Impuls die Hand vor den Mund.
    Mein Kopf prallte mit einem Knall gegen die Kabinenwand, als der
Mann mich zurückstieß. Seine rauhen Finger stachen in meine Wangen und stocherten in meinem Mund herum, wo sie unsanft nach den Ringen suchten. Ich wand mich und schluckte; mein Mund füllte sich mit Speichel und Silbergeschmack, der sowohl vom Metall der Ringe als auch von Blut hätte stammen können…
    Ich biß zu, und er riß mit einem Schrei die Hand zurück. Dabei mußte mir einer der Ringe aus dem Mund geflogen sein, denn ich hörte irgendwo ein schwaches, metallisches Ping , dann würgte und schluckte ich, und der zweite Ring rutschte mir in die Kehle, hart und rund.
    »Miststück! Ich schlitz’ dir die verdammte Kehle auf! Du fährst ohne deine Ringe zur Hölle, du verschlagenes Biest!« Ich sah das wutverzerrte Gesicht des Mannes und dann das Aufblitzen einer blanken Messerklinge. Dann traf mich ein harter Schlag und warf mich um, und ich fand mich, flachgedrückt von Jamies Körper, auf Deck liegend wieder.
    Ich war zu überrumpelt, um mich zu bewegen, obwohl ich mich sowieso nicht hätte bewegen können. Jamies Brust war gegen meinen Hinterkopf gedrückt und quetschte mein Gesicht auf das Deck. Ich hörte Schreie und Verwirrung, gedämpft von den feuchten Leinenfalten um meinen

Weitere Kostenlose Bücher