Der Ruf der Wellen: Roman (German Edition)
Kabinen und eine gut ausgestattete Kombüse gab. Ohne die in seiner Sehschärfe eingeschliffene Taucherbrille konnte er allerdings bestenfalls die riesigen Fenster des Steuerhauses ausmachen. Er hätte für sein Leben gern mal einen Erkundungsgang durch Motor- und Kontrollraum unternommen.
Nun, das konnte er später mit Brille noch nachholen. Aber auch ohne die Sehhilfe schätzte er, dass der Diamant an
Marlas Finger gut fünf Karat schwer sein musste, und der goldene Reif um ihr rechtes Handgelenk war eindeutig antik.
Er witterte Geld.
»Nun, Ray …« Beiläufig leerte er sein Glas. »Matthew und ich tauchen schon seit ein paar Wochen in dieser Gegend. Euch haben wir bisher noch gar nicht bemerkt.«
»Das war auch unser erster Tauchgang. Wir sind aus North Carolina hergesegelt, gleich an dem Tag, als Tates Frühjahrssemester zu Ende war.«
Ein Collegemädchen. Matthew nahm einen großen Schluck Eistee. Das hatte ihm gerade noch gefehlt. Widerwillig wandte er seinen Blick von ihren Beinen ab und konzentrierte sich auf seinen Lunch. Damit hatte sich der Fall für ihn erledigt. Immerhin war er fast fünfundzwanzig und gab sich nicht mit hochnäsigen Collegegören ab.
»Wir werden den Sommer hier verbringen«, fuhr Ray fort. »Vielleicht bleiben wir sogar noch länger. Im letzten Winter sind wir ein paar Wochen lang vor der Küste von Mexiko getaucht. Dort gibt es mehrere interessante Wracks, aber die meisten sind schon geplündert. Trotzdem ist es uns gelungen, ein paar interessante Sachen hochzuholen. Nette Keramikgegenstände, ein paar Tonpfeifen.«
»Und diese wunderschönen Parfümfläschchen«, warf Marla ein.
»Dann sind Sie also schon eine Zeit lang dabei«, bohrte Buck weiter.
»Zehn Jahre.« Rays Augen leuchteten. »Fünfzehn sind es schon seit meinem ersten Tauchgang.« Er beugte sich vor, sprach jetzt von Jäger zu Jäger. »Ein Freund überredete mich damals zu einem Tauchkurs. Nachdem ich die Prüfung bestanden hatte, fuhr ich mit ihm nach Diamond Shoals. Schon nach dem ersten Versuch war ich süchtig.«
»Heute verbringt er jede freie Minute unter Wasser, plant seinen nächsten Tauchgang oder erzählt vom letzten.« Marla
lachte. Ihre Augen leuchteten so grün wie die ihrer Tochter und schienen zu tanzen. »Und so habe ich eben gelernt, wie man mit einem Boot umgeht.«
»Ich jage schon seit über vierzig Jahren.« Buck schaufelte den Rest seines Kartoffelsalats in den Mund. Seit über einem Monat hatte er nicht mehr so gut gegessen. »Das liegt uns im Blut, wir haben es von unserem Vater geerbt. Bevor die Regierung auf stur schaltete, haben wir vor der Küste von Florida getaucht. Ich, mein Vater und mein Bruder. Die Lassiters.«
»Natürlich.« Ray schlug sich mit der Hand aufs Knie. »Von Ihnen habe ich gelesen. Ihr Vater war Big Matt Lassiter! Vierundsechzig fand er die El Diablo vor Conch Key.«
»Dreiundsechzig«, korrigierte ihn Buck grinsend. »Wir entdeckten nicht nur sie, sondern auch ihren Schatz. Genau die Sorte Gold, von der ein Mann träumt, Juwelen, Silberbarren. Ich hielt eine goldene Kette mit einem Drachen in der Hand. Ein verfluchter Golddrachen«, sagte er, hielt inne und lief rot an. »Tut mir leid, Madam.«
»Schon gut.« Fasziniert von seiner Geschichte, drängte Marla ihm noch ein Sandwich auf. »Was war das für ein Gefühl?«
»Kann man gar nicht beschreiben.« Buck biss herzhaft in den Schinken. »Seine Augen bestanden aus Rubinen, der Schwanz war mit Smaragden besetzt.« Er machte eine bittere Miene. »Der Drachen allein war ein Vermögen wert.«
Ray wendete den Blick nicht von ihm ab. »Stimmt. Ich habe die Bilder gesehen. Diablos Drachen. Und Sie haben ihn gefunden. Unglaublich.«
»Bis der Staat sich einschaltete«, fuhr Buck fort. »Jahrelang kämpften wir vor Gericht. Auf einmal hieß es, dass die Drei-Meilen-Zone an der äußeren Grenze des Riffs beginnt, nicht am Strand. Die Schweine hatten uns ausgeblutet, bevor es vorbei war. Am Ende bekamen sie alles, und wir gingen leer aus. Schlimmer als Piraten«, schloss er und trank sein Glas leer.
»Wie schrecklich für Sie«, murmelte Marla. »All das durchzumachen, um zu guter Letzt doch mit leeren Händen dazustehen.«
»Es brach dem alten Mann das Herz. Danach ist er nie wieder getaucht.« Buck lockerte seine Schultern. »Nun, es gibt andere Wracks, andere Schätze.« Er betrachtete sein Gegenüber abschätzend und wagte aufs Geratewohl einen Vorstoß. »Wie die Santa Marguerite, die Isabella.«
»Ja,
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