Der Ruf der Wellen: Roman (German Edition)
Früchte seiner Mühen. Tate bedeuteten Augenblicke wie dieser mehr als alles andere.
Gemeinsam schwammen sie weiter, verbunden durch ihre Liebe zum Meer, zu seiner Stille, seinen Farben. Ein Schwarm von Fischen mit glänzenden schwarzen und goldenen Streifen schwamm vorbei. Aus purem Übermut vollzog Tate eine langsame Rolle und sah direkt in das Sonnenlicht, das sich über ihr an der Wasseroberfläche brach. Aus ihrer Kehle drang ein Lachen, das sich in tausend Luftbläschen auflöste und einen vorwitzigen Zackenbarsch verschreckte.
Sie tauchte tiefer, folgte den zielstrebigen Bewegungen ihres Vaters. Unter dem Sand lagen unzählige Geheimnisse, unter jeder Erhebung konnte sich das Silber eines Piraten verbergen. Tate rief sich in Erinnerung, dass sie weniger nach den fächerförmigen Unterwasserpflanzen oder den Korallenkämmen Ausschau halten sollte als vielmehr nach möglichen Hinweisen auf versunkene Schätze.
Sie befanden sich in den sanften Gewässern der Westindischen See, auf der Suche nach dem Traum eines jeden Schatzsuchers. Ein unberührtes Wrack, auf dem der Legende nach der Schatz eines Königs verborgen lag. Bei diesem ersten Tauchgang wollten sie sich zunächst einmal mit jenem Gebiet vertraut machen, das sie bereits in Büchern, auf Seekarten und Skizzen eingehend studiert hatten. Sie würden die Strömungen erkunden, die Gezeiten kalkulieren. Und vielleicht – ganz vielleicht – würden sie Glück haben.
Tate wandte sich einem Sandhügel zu und begann, schnell mit der Hand zu fächern. Ihr Vater hatte ihr diese einfache Methode gezeigt, als sie noch ein kleines Mädchen war und ihn mit ihrer grenzenlosen Begeisterung für sein neues Hobby, das Tiefseetauchen, überraschte.
Im Laufe der Jahre hatte er ihr noch viel mehr beigebracht. Den Respekt vor dem Meer und allem, was darin lebte. Und vor dem, was dort versteckt lag. Tates größte Hoffnung bestand darin, eines Tages etwas für ihn zu finden.
Sie sah ihn an, beobachtete, wie er einen niedrigen Korallenkamm untersuchte. Sooft er auch von Schätzen, die von Menschenhand gemacht waren, träumte, so sehr liebte Raymond Beaumont doch die Kunstwerke, die das Meer schuf.
Da Tate nichts unter dem Hügel entdeckte, schwamm sie weiter auf der Suche nach einer besonders hübsch gestreiften Muschel. Aus dem Augenwinkel sah sie, wie ein dunkler Schatten schnell und geräuschlos auf sie zusteuerte. Tates erster, lähmender Gedanke galt einem Hai, und ihr Herz setzte einen Moment lang aus. Wie sie es gelernt hatte, griff sie mit einer Hand nach ihrem Tauchermesser und machte sich bereit, sich selbst und ihren Vater zu verteidigen.
Doch dann entpuppte sich der Schatten als Taucher. Er mochte geschmeidig und schnell wie ein Hai sein, aber es war eindeutig ein Mann. Erleichtert stieß Tate einen Strudel von Luftbläschen aus, bevor sie daran dachte, ihren Atem
wieder zu regulieren. Der Taucher gab erst ihr und dann dem Mann, der hinter ihm schwamm, ein Handzeichen.
Kurz darauf befand sich Tate Taucherbrille an Taucherbrille mit einem grinsenden Gesicht. Die Augen des Mannes waren so blau wie die See, die sie umgab. Sein dunkles Haar bewegte sich in der Strömung. Tate erkannte, dass er über sie lachte – zweifellos hatte er ihre Reaktion auf den unerwarteten Besuch richtig gedeutet. In einer beschwichtigenden Geste hob er die Hände, bis sie ihr Messer wieder an der Wade befestigt hatte. Dann zwinkerte er und grüßte lässig zu Ray hinüber.
Während dieser stummen Begrüßung studierte Tate die Neuankömmlinge eingehend. Ihre Ausrüstung war solide und wies alles auf, was ein Wracktaucher brauchte – einen Beutel für eventuelle Funde, ein Messer, einen Kompass am Handgelenk und eine Taucheruhr. Der Mann in dem schwarzen Neoprenanzug war jung und schlank. Er gestikulierte mit breiten Händen. Seine schlanken Finger wiesen die Narben und Verletzungen eines erfahrenen Jägers auf.
Der zweite Mann hatte eine Glatze und war um die Taille ziemlich rundlich, unter Wasser bewegte er sich jedoch so wendig wie ein Fisch. Tate musste feststellen, dass er mit ihrem Vater zu einer stillschweigenden Übereinkunft gelangt war. Sie wollte protestieren. Immerhin war das hier ihr Gebiet, sie waren zuerst da gewesen.
Aber sie konnte nichts anderes tun, als die Stirn runzeln, während ihr Vater mit zwei Fingern das Okay-Zeichen machte. Dann verteilten sich alle vier, um die Gegend zu erkunden.
Tate arbeitete sich zu einem neuen Hügel vor, um dort
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